Leitsatz

Wohnungseigentümer können durch Beschluss lediglich festlegen, ob und in welchem Umfang ein ihrer Meinung nach bestehender Anspruch gerichtlich geltend gemacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden soll.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3

 

Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen am 20. November 2015, Wohnungseigentümer K aufzufordern, von ihm aufgestellte Müllboxen und eine von ihm vorgenommene Pflasterung zu entfernen. Im Fall der Nichtbefolgung soll ein Fachanwalt mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der Abwehransprüche beauftragt werden. Gegen diesen Beschluss wendet sich K. Er behauptet u.a., der Beschluss sei nichtig. Das Amtsgericht sieht das nicht so. Gegen diese Entscheidung wendet sich K mit der Berufung.

 

Die Entscheidung

Das Landgericht weist darauf hin, dass es dem Amtsgericht folgen will.

  1. Der Beschluss sei nicht wegen Fehlens der Beschlusskompetenz nichtig. Wohnungseigentümer könnten durch Beschluss festlegen, ob und in welchem Umfang ein ihrer Meinung nach bestehender Anspruch gerichtlich geltend gemacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden solle. Um einen solchen vorbereitenden Beschluss handle es sich.
  2. Entscheidend bei der Beurteilung sei, ob der Beschluss eine Aussage zu dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Beseitigung bzw. Unterlassung enthalte oder dies dem gerichtlichen Verfahren gegen den betroffenen Wohnungseigentümer überlasse. Unzulässig sei ein Beschluss, der die Schaffung einer (selbstständigen) Anspruchsgrundlage zum Ziel habe. Hier sei der Beschluss als Androhung gerichtlicher Maßnahmen zu verstehen, da K zunächst habe aufgefordert werden sollen, die Müllboxen und die Pflasterung zu entfernen. Im Fall der Nichtbefolgung habe ein Fachanwalt mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung der Abwehransprüche beauftragt werden sollen. Eine Aussage über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs enthalte der Beschluss nicht. Er überlasse die Beurteilung dem gerichtlichen Verfahren.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Von Gesetzes wegen besteht keine Beschlusskompetenz, die persönliche Leistungs- und/oder Unterlassungspflicht eines Wohnungseigentümers oder eines Dritten zu begründen. Gemeint ist z.B. die Pflicht, etwas zu tun, beispielsweise Schnee zu räumen, das Treppenhaus zu reinigen, Gartenarbeiten, eine bauliche Veränderung rückgängig zu machen oder das gemeinschaftliche Eigentum zu erhalten. Unproblematisch ist hingegen ein "Vorbereitungs-/Abmahnbeschluss". Mit diesem wird ein Wohnungseigentümer auf eine (Unterlassungs-)Pflicht ohne den Willen, die Pflicht durch den Beschluss zu begründen, hingewiesen. Entscheidend ist, ob der Beschluss eine Aussage zu dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs auf Beseitigung bzw. Unterlassung enthält oder dies dem gerichtlichen Verfahren gegen den betroffenen Wohnungseigentümer überlässt (Hügel/Elzer, WEG, 2. Auflage, § 23 Rn. 8).
  2. Will ein Wohnungseigentümer Müllboxen aufstellen, handelt es sich um eine Frage des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums. Bei einer Pflasterung wird es hingegen in der Regel eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums oder eine Maßnahme der Modernisierung sein. Im Einzelfall kann es aber auch eine Instandsetzung im weiteren Sinne sein.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter sollte die Auslegung, ob die Wohnungseigentümer ein bestimmtes Verhalten androhen oder versuchen, sich durch Beschluss einer Anspruchsgrundlage zu schaffen, nicht dem Wohnungseigentumsgericht überlassen. Hier ist vielmehr "Handwerk" gefragt, den Beschluss so zu formulieren, dass an dem Willen der Wohnungseigentümer, nur der Androhung ausgesprochen zu haben, kein Zweifel bestehen kann (siehe zuletzt etwa meine Hinweise zu LG Stuttgart v. 31.8.2016, 10 S 14/16 und LG Aurich v. 30.8.2017, 4 S 49/17).

Muster: Aufforderungsbeschluss

  1. Wohnungseigentümer ___ wird aufgefordert, ___ bis zum ___

    wieder zu entfernen.

  2. Die Ansprüche der Wohnungseigentümer wegen der Störung des gemeinschaftlichen Eigentums durch ___ werden zur Ausführung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zugewiesen.
  3. Der Verwalter ist ermächtigt, namens und in Vollmacht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen Wohnungseigentümer

    __ Klage zu erheben und auf Entfernung ___ in erster und zweiter Instanz in Anspruch zu nehmen.

  4. Der Verwalter soll Rechtsanwalt ___ zur Durchsetzung der Rechte beauftragen.

    Abstimmungsergebnis:

    Ja-Stimmen: _____

    Nein-Stimmen: _____

    Enthaltungen: _____

    Der Versammlungsleiter verkündet folgendes Beschlussergebnis:

    Der Beschluss, _____ (Inhalt), wurde angenommen/abgelehnt.

 

Link zur Entscheidung

LG Aurich, Beschluss vom 24.07.2017, 4 S 49/17

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge