Rz. 7

Aus der Reihenfolge der gesetzlichen Regelungen erschließt sich die Wechselwirkung zwischen "freiwillig gewährter" Teilhabe am gesamtlebzeitigen Vermögen einerseits und der "erzwungenen" Teilhabe andererseits nur unzureichend. Das Zusammenspiel der einzelnen Regelungen kann aber wie folgt umrissen werden: Wie bereits angedeutet, bezieht sich die dem Pflichtteilsberechtigten garantierte Mindestteilhabe nicht nur auf das Vermögen, das der Erblasser – mehr oder weniger zufällig – tatsächlich hinterlässt (realer Nachlass). Vielmehr will der Gesetzgeber eine Mindestteilhabe an dem Vermögen sicherstellen, das die Lebensverhältnisse des Erblassers tatsächlich – wenigstens in den letzten zehn Lebensjahren – geprägt hat, wenn nicht gar an seinem gesamtlebzeitigen Vermögen. Hierzu dient in erster Linie der Pflichtteilsergänzungsanspruch, der es ermöglicht, wenigstens solche Zuwendungen des Erblassers an andere Personen, die bei Eintritt des Erbfalls nicht länger als zehn Jahre zurückliegen, in die Pflichtteilsberechnung mit einzubeziehen. Für Zuwendungen an den Ehegatten/Lebenspartner gilt sogar eine nicht fristgebundene Einbeziehung.

 

Rz. 8

Der ordentliche Pflichtteil bezieht sich grundsätzlich nur auf den realen Nachlass, dessen Wert sich aus § 2311 BGB ergibt. Im Regelfall handelt es sich um einen Quotenpflichtteil. Denn gem. § 2303 Abs. 1 BGB besteht der Pflichtteil "in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils"; da sich der Erbteil i.d.R. aus einer Quote des Nachlasses ergibt, beläuft sich der ordentliche Pflichtteil i.d.R. auf die Hälfte der Quote dieses gesetzlichen Erbteils. Haben der Pflichtteilsberechtigte oder/und der Erbe ausgleichungspflichtige Zuwendungen erhalten, berechnet sich der jeweilige Erbteil nach §§ 2055, 2056, 2057a BGB und der Pflichtteilsanspruch bei anzurechnenden Zuwendungen gem. § 2315 BGB und bei auszugleichenden Zuwendungen gem. § 2316 BGB. In den Fällen der Ausgleichung ist der Pflichtteil als sog. Wertpflichtteil[13] zu verstehen. Maßgeblich ist hier nicht mehr die Quote im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr der dem Pflichtteilsberechtigten zustehende Wertanteil. Ist der Pflichtteilsberechtigte auf weniger als die Hälfte des ihm gebührenden gesetzlichen Erbteils eingesetzt, wird die freiwillig gewährte Mindestteilhabe am Vermögen des Erblassers durch den Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 BGB ergänzt. Gleiches gilt für ein ihm gewährtes Vermächtnis. Ist der Erbteil eines Pflichtteilsberechtigten beschränkt oder beschwert, gilt die Sondernorm des § 2306 BGB, die es – in der aktuellen Fassung[14] – dem Pflichtteilsberechtigten ermöglicht, zu wählen, ob er die Erbschaft (mit allen Belastungen) annimmt oder ausschlägt, um seinen Pflichtteil zu verlangen.

 

Rz. 9

Hat der Erblasser lebzeitig einem Dritten Zuwendungen gewährt, so ist innerhalb bestimmter Grenzen ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gegeben. Dabei ist allerdings die dem Pflichtteilsberechtigten "freiwillig gewährte Teilhabe am gesamtlebzeitigen Vermögen" in zweifacher Weise zu berücksichtigen: seine Teilhabe am realen Nachlass, soweit diese über seinem Erbteil liegt, gem. § 2326 S. 2 BGB und jede an den Pflichtteilsberechtigten erfolgte Schenkung, auch die länger als zehn Jahre zurückliegende, gem. § 2327 BGB.

 

Rz. 10

Aus § 2303 BGB ergibt sich, dass der Pflichtteilsanspruch von dem oder den Erben zu tragen ist. Einzelheiten regeln die §§ 23182324 BGB. Bedeutsam – wenn auch in der Praxis eher selten relevant – sind auch die Vorschriften über die Entziehung des Pflichtteils und seine Beschränkung in guter Absicht gem. §§ 23332338 BGB.

[13] Vgl. Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 8 Rn 8 ff.
[14] Auf der Grundlage des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, BGBl I 2009, 3142 f.

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