Leitsatz

Ein Syndikusanwalt muss zum Nachweis der erforderlichen praktischen Erfahrung die eigene Bearbeitung einer erheblichen Anzahl nicht unbedeutender Mandate außerhalb des Anstellungsverhältnisses dokumentieren. Die erforderliche persönliche Fallbearbeitung liegt nicht vor, wenn er sich auf ein Wirken im Hintergrund beschränkt und weder eigene Schriftsätze anfertigt noch selbst an Gerichtsverhandlungen teilnimmt.

 

Sachverhalt

Der Antragsteller ist Abteilungsleiter bei einem Versicherer und seit 1997 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Er beantragte, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Versicherungsrecht" zu gestatten. Hierzu legte er neben einer Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang Nachweise über von ihm bei dem Arbeitgeber "persönlich und weisungsfrei" bearbeitete Fälle sowie Arbeitsproben vor. Rechtsmittel gegen die ablehnende Entscheidung der Kammer waren erfolglos. Auch der BGH wies die Beschwerde zurück, weil der Antragsteller die nachgewiesenen Fälle nicht persönlich und weisungsfrei als Rechtsanwalt i.S. von § 5 Satz 1 Hs. 1 FAO bearbeitet hat.

 

Entscheidung

Der Antragsteller hat in den von ihm benannten Fällen mit einer Ausnahme keinen eigenen Schriftsatz angefertigt und nicht an einer Gerichtsverhandlung teilgenommen. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Unterstützung der jeweils vom Arbeitgeber beauftragten Rechtsanwälte. Ein solches Wirken im Hintergrund gehört zwar auch zur anwaltlichen Fallbearbeitung und kann deshalb nicht von vornherein ganz unberücksichtigt bleiben. Es kann aber einem Rechtsanwalt die geforderte praktische Erfahrung in der unmittelbaren Wahrnehmung der Interessen seiner Mandanten gegenüber Kontrahenten, Behörden und Gerichten nicht vermitteln. Beschränkt sich die Tätigkeit als Rechtsanwalt allein hierauf, genügt sie zum Erwerb der Berechtigung, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, nicht.

Überdies fehlt eine völlig weisungsfreie Bearbeitung der Rechtssachen. Denn nicht jede praktische Erfahrung auf dem Gebiet, für das die Fachanwaltsbezeichnung erstrebt wird, reicht aus, sondern nur die spezifische praktische Erfahrung als Rechtsanwalt. Hierzu muss der Syndikusanwalt auch außerhalb des Aufgabenbereichs aktiv werden, der ihm von seinem Arbeitgeber vorgegeben wird[1].

Die gegenteilige Ansicht[2] lässt das Gericht nicht gelten. Denn der selbständige wie der bei einem anderen Rechtsanwalt angestellte Rechtsanwalt hat die ihm übertragenen Mandate nicht nur unabhängig und weisungsfrei zu bearbeiten. Er muss vielmehr auch die wechselnde Perspektive des jeweiligen Mandanten einnehmen. Eine solche Erfahrung lässt die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung bei dem anwaltliche Beratung und Vertretung suchenden Publikum auch erwarten. Sie kann aber bei einem Rechtsanwalt, der nur im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses als Syndikusanwalt tätig wird, auch dann nicht vorausgesetzt werden, wenn er bei der Fallbearbeitung weisungsfrei und unabhängig ist[3]. Er nimmt hierbei nach dem Zweck seiner Anstellung allein die Perspektive seines Arbeitgebers ein. Ein Anwalt muss deshalb auch weiterhin zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Syndikus praktische Erfahrung außerhalb seines Anstellungsverhältnisses nachweisen, will er eine Fachanwaltsbezeichnung führen.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 25.10.2006, AnwZ (B) 80/05

[1] St. Rspr.; vgl. zuletzt BGH-Beschluss vom 6.3.2006, AnwZ (B) 37/05, INF 2006, S. 438
[2] Vgl. etwa Posegga, Der Syndikusanwalt und die Voraussetzungen für den Erwerb einer Fachanwaltsbezeichnung, MDR 2003, S. 609
[3] Ausführlich hierzu BGH-Beschluss vom 6.3.2006, a.a.O. (Fn. 1)

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