Rz. 945

Inländische Familienstiftungen, die wesentlich im Interesse einer Familie errichtet sind, unterliegen in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Übergangs von Vermögen auf die Stiftung der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Sinn und Zweck der Regelung ist es, zu verhindern, dass das in den Familienstiftungen gebundene Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird.[1456] Das Erbschaftsteuergesetz geht davon aus, dass das Vermögen im Generationenwechsel einmal der Erbschaftsteuer unterworfen wird. Aufgrund der seit Einführung der Erbersatzsteuer gestiegenen durchschnittlichen Lebenserwartung ist die der Erbersatzsteuer zugrunde liegende Annahme, dass sich der Generationenwechsel bei natürlichen Personen im Abstand von 30 Jahren vollzieht, mittlerweile unzutreffend: Gegenwärtig ergibt sich für den künftigen durchschnittlichen Generationenwechsel eine Zeitspanne von ca. 40 bis 50 Jahren.[1457] Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit der Erbersatzsteuer ausdrücklich bestätigt.[1458]

 

Rz. 946

Ein Abzug der Erbersatzsteuer von der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage ist unzulässig. Hinsichtlich der sofort entrichteten Erbersatzsteuer ist dies gesetzlich normiert (§ 10 Nr. 2 KStG). Auch die Möglichkeit eines Sonderausgabenabzugs der verrenteten Erbersatzsteuer und der in den einzelnen Jahresbeiträgen enthaltenen Zinsen lehnen Rechtsprechung und Finanzverwaltung ab.[1459]

 

Rz. 947

Die Einführung der Erbersatzsteuer im ErbStG 1974 hat die steuerliche Vorteilhaftigkeit der Familienstiftung ohne Zweifel reduziert. Nichtsdestotrotz kann nach den jeweiligen Einzelfallumständen die Erbersatzsteuer günstiger sein als die Erbschaftsteuer auf den normalen Erbgang. Dies gilt z. B. bei einer kürzeren Erbfolge als alle 30 Jahre.[1460] Zudem ist der Zeitpunkt des Anfalls der Erbersatzsteuer besser vorherzusehen und zu planen als der normale Erbschaftsteueranfall. So kann die Bemessungsgrundlage der Erbersatzsteuer wesentlich leichter beeinflusst werden, als dies normalerweise bei der Erbschaftsteuer der Fall ist.[1461] Zu einer Steueroptimierung können zudem Gestaltungen gewählt werden, die eine Begünstigung des Stiftungsvermögens (z. B. als Betriebsvermögen) ermöglichen, außerdem die Vornahme außerordentlicher oder vorzeitiger Ausschüttungen an den Begünstigten oder der fremdfinanzierte Erwerb vermieteter Grundstücke.[1462] Zudem lässt sich die Höhe der Erbersatzsteuer durch Aufteilung des Vermögens auf mehrere Familienstiftungen oder durch Kombination von Familienstiftung und "gewöhnlicher" oder gemeinnütziger Stiftung reduzieren.[1463]

 

Rz. 948

Vor dem Hintergrund, dass die Qualifikation als Familienstiftung im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung zur Erlangung der Steuerklassenprivilegierung erwünscht, 30 Jahre später jedoch angesichts der Erbersatzsteuerpflicht nachteilhaft ist, wird teilweise empfohlen, die Familienbegünstigung rechtzeitig vor Anfall der Erbersatzsteuer unter die Wesentlichkeitsgrenze abzusenken. Der praktische Nutzen einer solchen Gestaltung ist jedoch zweifelhaft, da die Finanzverwaltung in der Änderung des Stiftungscharakters von einer Familienstiftung zu einer gewöhnlichen Stiftung durch Satzungsänderung oder durch Aufnahme weiterer Destinatäre eine Aufhebung der Familienstiftung und Errichtung einer neuen Stiftung sieht, deren Erwerb erbschaftsteuerpflichtig nach Steuerklasse III ist.[1464]

 

Rz. 949

Nur Familienstiftungen mit Sitz und/oder Geschäftsleitung im Inland unterliegen der Erbersatzsteuer, § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Auch ausländische Familienstiftungen, denen im Inland belegenes Vermögen gehört, sind nicht erbersatzsteuerpflichtig. Eine "beschränkte Erbersatzsteuerpflicht" gibt es nicht[1465], wohl aber die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht bei einem Wechsel des Rechtsträgers.

 

Rz. 950

Wesentliches Familieninteresse

Eine der Erbersatzsteuer unterliegende Familienstiftung ist nach der Definition des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine Stiftung, die "wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist".[1466] Der Begriff der "Familie" wird im Erbschaftsteuerrecht nicht definiert. Die Finanzverwaltung folgt auch im Erbschaftsteuerrecht der Wertung des Außensteuerrechts (§ 15 Abs. 2 AStG), sodass eine Familie den "Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge" umfasst.[1467] Demnach unterfallen alle Angehörigen dem Familienbegriff (§ 15 AO) und nicht allein die nächsten Angehörigen i. S. d. § 58 Nr. 5 AO.[1468]

 

Rz. 951

Maßgebliches Kriterium für eine Familienstiftung ist das Familieninteresse. Vergleicht man die Formulierung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG mit der in § 15 Abs. 2 AStG, zeigt sich, dass im Erbschaftsteuerrecht nicht zwingend auch ein rechtliches Interesse vorliegen muss. Eine Stiftung kann demnach auch dann im "Interesse" einer Familie errichtet worden sein, wenn dem Stifter und seinen Familienmitgliedern insoweit keine Ansprüche oder Rechte zustehen.[1469] Dementsprechend kann eine Familienstiftung im Sinne ...

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