Rz. 868

Der Wettbewerb eines Zweckbetriebes zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art muss auf das zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke grundsätzlich unvermeidbare Maß begrenzt sein. Wettbewerb liegt vor, wenn der Zweckbetrieb und der nicht begünstigte Betrieb dem gleichen Kundenkreis im gleichen Einzugsgebiet gleiche Leistungen anbieten oder anbieten könnten. Ob der potenzielle oder tatsächliche Wettbewerb unvermeidbar ist, ist unter Berücksichtigung der aus dem grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz abgeleiteten, staatlich gebotenen Wettbewerbsneutralität zu beantworten.[1346] Bereits ein potenzieller Wettbewerb reicht zur Versagung der Zweckbetriebseigenschaft aus, wenn dadurch Marktzutrittsschranken für neue Wettbewerber errichtet würden.[1347] Dabei kommt es nach Ansicht der Finanzverwaltung[1348] lediglich darauf an, ob ein Wettbewerb mit einem steuerpflichtigen Unternehmen möglich wäre. Auf die tatsächliche Wettbewerbssituation vor Ort ist dagegen nicht abzustellen.[1349]

 

Rz. 869

Ein Eingriff in den Wettbewerb muss durch einen hinreichend sachlichen Grund gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.[1350] Das Interesse der Allgemeinheit an einem nicht durch steuerliche Begünstigungen beeinträchtigten Wettbewerb einerseits und an der Förderung eines steuerbegünstigten Zwecks andererseits sind gegeneinander abzuwägen. Ist danach der steuerbegünstigte Zweck auch ohne die steuerrechtlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu verwirklichen, ist der Wettbewerb vermeidbar und die Wahrung der Wettbewerbsneutralität vorrangig.[1351]

 

Rz. 870

 
Praxis-Beispiel

Unvermeidbarer Wettbewerb eines Zweckbetriebs

Ein Beispiel, bei dem der Bundesfinanzhof von unvermeidbarem Wettbewerb ausgegangen ist, ist die Ausführung von Lohnaufträgen durch eine arbeitstherapeutische Beschäftigungsgesellschaft.[1352] Zur Durchführung einer sinnvollen Arbeitstherapie musste die Beschäftigungsgesellschaft Lohnaufträge annehmen, da sie ansonsten keine Möglichkeit gehabt hätte, ihre Klienten in den normalen Arbeitsprozess einzugliedern. Daher waren die Leistungen an die Auftraggeber ausschließlich Ergebnis der Arbeitstherapie und somit notwendige Folge der Erfüllung des gemeinnützigen Zwecks. Die Konkurrenz mit anderen – steuerpflichtigen – Betrieben, die vergleichbare Lohnaufträge ausführten, war für die Beschäftigungsgesellschaft unvermeidbar, wenn sie ihren steuerbegünstigten Zweck verfolgen wollte. Aus diesen Gründen war der Eingriff in die Wettbewerbsneutralität gerechtfertigt.

 

Rz. 871

Soweit der Wettbewerb vermeidbar ist, ist die Steuerbegünstigung abzuerkennen und der Betrieb gem. § 64 AO als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu behandeln. Der Wettbewerb zwischen Zweckbetrieben, die denselben steuerbegünstigten Zwecken dienen, ist jedoch unschädlich.[1353]

 

Rz. 872

Betroffene Wettbewerber, also nicht begünstigte Betriebe, haben in Einzelfällen die Möglichkeit, den entsprechenden Freistellungsbescheid durch Konkurrentenklage zum Finanzgericht anzufechten.[1354] Die notwendige Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) kann sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG, jeweils in Verbindung mit §§ 64 bis 68, insbesondere § 65 Nr. 3 AO ergeben.[1355] Diese Normen dienen (auch) dem Schutz der mit Nichtzweckbetrieben konkurrierenden und steuerlich nicht begünstigten Betriebe, sind also drittschützend. Voraussetzung für ein zulässige Anfechtungsklage ist jedoch, dass der Kläger substantiiert geltend macht, die rechtswidrige Nichtbesteuerung oder zu geringe Besteuerung des mit ihm in Wettbewerb stehenden Steuerpflichtigen beeinträchtige das Recht des Klägers auf Teilnahme an einem steuerrechtlich nicht zu seinem Nachteil verfälschten Wettbewerb.[1356]

 

Rz. 873

Verletzt ist dieses Recht des Wettbewerbers jedoch nur dann, wenn durch die Nichtbesteuerung der Körperschaft hinsichtlich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs die Wettbewerbslage tatsächlich zum Nachteil des Konkurrenten beeinflusst wird. In Fällen, in denen der in der Nichtbesteuerung liegende wirtschaftliche Vorteil nicht wettbewerbsrelevant ist, führen die rechtswidrige Nichtbesteuerung und das Konkurrenzverhältnis allein nicht zur Rechtsverletzung.[1357] Besteht eine Rechtsverletzung des Konkurrenten, so hat er gegenüber der für die Besteuerung der Körperschaft zuständigen Finanzbehörde einen Anspruch darauf, dass die Körperschaft hinsichtlich des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs besteuert wird. Einen darüber hinausgehenden Anspruch, dass die Körperschaft – etwa wegen der Verletzung anderer, nicht drittschützender Normen – insgesamt zu besteuern sei, hat er dagegen nicht.[1358] Ob ein nicht steuerbegünstigter Konkurrent zunächst Rechtsschutz gegen seine eigene Besteuerung suchen muss, bevor er die Steuerbegünstigung des Konkurenten angreifen kann, ist soweit ersichtlich nicht abschließend geklärt.

 

Rz. 874

Zur Vorbereitung der Konkurrentenklage ist den Wettbewerbern ein Auskunftsanspruch gegen das Finanzamt zu gewähren[1359], dieser betrifft insbesondere de...

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