Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalvertretung. außerordentliche Kündigung. Personalratsmitglied. Ersetzung der Zustimmung. Kündigungsfrist. Kündigungsberechtigter. Zurechnung. Nebentätigkeit. Angestellte im öffentlichen Dienst. Ersetzung der Zustimmung nach § 108 Abs. 1 BPersVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegenüber den Arbeitnehmern von Gemeinden ist Kündigungsberechtigter im Sinne der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT das nach der Gemeindeordnung in Verbindung mit der Hauptsatzung zuständige Organ (im Anschluß an BAG, Urteil v. 18.5.1994 – 2 AZR 930/93 –).

2. Ist Kündigungsberechtigter danach der Gemeinderat, so liegt ein Organisationsmangel, der es rechtfertigen würde, die Frist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT vor tatsächlicher Kenntniserlangung durch den Gemeinderat beginnen zu lassen, regelmäßig nicht vor, wenn die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers der Gemeinde in der nächsten ordentlichen Gemeinderatssitzung beschlossen wird, nachdem der Bürgermeister von dem Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt hat.

3. Innerhalb der Zweiwochenfrist der §§ 626 Abs. 2 BGB, 54 Abs. 2 BAT muß der Dienststellenleiter nicht nur den Zustimmungsantrag beim Personalrat stellen, sondern bei Verweigerung der Zustimmung auch das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung beim Verwaltungsgericht einleiten.

4. Die Rechte der Angestellten auf entgeltliche Verwertung der eigenen Arbeitskraft in der Form einer Nebentätigkeit werden mit der Verweisung des § 11 BAT auf die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen in zulässigerweise eingeschränkt. Ob dies auch für die Pflicht zur Ablieferung von Vergütungen aus einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gilt, bleibt offen.

5. Einzelfall der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einem Angestellten wegen Ausübung nicht genehmigter Nebentätigkeiten in größerem Umfang und damit verbundener Abgabe unwahrer und entstellender Erklärungen.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; BGB § 626; BPersVG § 108 Abs. 1; LBG § 83; LNTVO § 4 Abs. 1, § 8; BAT §§ 11, 54

 

Verfahrensgang

VG Stuttgart (Beschluss vom 09.06.1994; Aktenzeichen PL 22 K 2/93)

 

Tenor

Die Beschwerden der Beteiligten zu 1. bis 3. gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Stuttgart – Fachkammer für Personalvertretungssachen (Land) – vom 9. Juni 1994 – PL 22 K 2/93 – werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller erstrebt die Ersetzung der Zustimmung der Beteiligten zu 1. und 2. zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3.

Der am 19.9.1942 geborene Beteiligte zu 3. ist verheiratet und hat vier Kinder. Er ist Diplomingenieur (FH) und war seit Spätsommer 1992 als angestellter Architekt in die Architektenkammer aufgenommen. Er ist seit dem 1.4.1973 aufgrund des Arbeitsvertrags vom 15.1.1973 und des Änderungsvertrags vom 27.4.1984 bei der Stadt xxxxxxxxx angestellt. Er wurde zuletzt als verantwortlicher Bauleiter beschäftigt. Seit 1.3.1984 ist er in die Vergütungsgruppe II eingruppiert. Der Beteiligte zu 3. gehört dem Personalrat der Verwaltung der Stadt (Beteiligter zu 1.) und dem Gesamtpersonalrat der Stadt (Beteiligter zu 2.) an. Bis zur Neuwahl im April 1993 war er Vorsitzender beider Personalräte, seit dieser Neuwahl ist er stellvertretender Vorsitzender des Personalrats der Verwaltung und Vorsitzender des Gesamtpersonalrats. Durch Entschließung des Antragstellers vom 8.5.1985 wurde der Beteiligte zu 3. wegen seiner Tätigkeit in beiden Personalräten gemäß § 47 Abs. 4 LPVG von seiner dienstlichen Tätigkeit freigestellt. Daneben übt der Beteiligte zu 3. noch die Tätigkeit eines Sicherheitsingenieurs aus.

Mit Schreiben vom 2.10.1980 teilte der Beteiligte zu 3. dem Hauptamt der Stadt mit, daß er als Vertrauensmann beim Beamtenheimstättenwerk tätig sei. Es handele sich um eine nicht genehmigungspflichtige Nebentätigkeit. Unter dem 30.1.1986 teilte der Antragsteller dem Beteiligten zu 3. mit, daß im Zusammenhang mit der gegen ihn anhängigen Gehaltspfändung festgestellt worden sei, daß er seine Nebentätigkeit in einem Ausmaß wahrnehme, das aufgrund der in § 11 BAT verankerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht mehr akzeptiert werden könne. Seine Nebentätigkeit müsse deshalb auf maximal acht Stunden pro Woche beschränkt werden. Hiervon werde ihm mit der Bitte um strikte Beachtung Kenntnis gegeben. Einmal im Jahr (so auch mit Schreiben des Hauptamtes an die städtischen Ämter vom 17.2.1992) werden die Bediensteten auf ihre Verpflichtung nach § 8 LNTVO und § 11 BAT hingewiesen, bis zum 1.7. eines Jahres eine Erklärung über alle von ihnen im vorausgegangenen Kalenderjahr ausgeübten genehmigungs- und anzeigepflichtigen Nebentätigkeiten vorzulegen und bei Nebentätigkeiten im Sinne von § 5 Abs. 3 LNTVO Abrechnungen über die zugeflossenen Vergütungen vorzulegen. Fehlanzeigen waren nicht erforderlich. Der Beteiligte zu 3. gab keine entsprechende Erklärung ab; er trägt dazu vor, diese Hinweise hätten ihn nicht erreicht.

Im Laufe des Juni 1992 wurd...

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