Entscheidungsstichwort (Thema)

Auskunftsanspruch eines Insolvenzverwalters bzgl. Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 1 Abs. 1 S. 1 Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Amtsträger und Beliehene als Auskunftsberechtigte i.R.d. Informationsfreiheitsgesetzes (IFG)

 

Normenkette

VwGO § 87a Abs. 2-3; IFG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, § 2 Nr. 1, § 3 Nr. 1 Buchst. g; GG Art. 87 Abs. 2 S. 1

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 06.03.2009 und des Widerspruchsbescheids vom 12.01.2010 verpflichtet, dem Kläger mitzuteilen, welche Zahlungen auf dem Beitragskonto des Hermann … der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.09.2005 eingegangen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Auskunft zu Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen an die Beklagte.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 01.12.2005 (Az.: 164 IN 197/05) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn Hermann …, handelnd unter Transportunternehmen Hermann … Straße …, … (im Folgenden: Insolvenzschuldner) eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Schreiben vom 11.12.2008 begehrte der Kläger bei der Beklagten nach § 1 Abs. 1 IFG Auskunft über Zahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen an die Beklagte in der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.09.2005: Nach § 1 Abs. 1 IFG habe „jeder” Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Das gelte auch für den Insolvenzverwalter. Dieses Recht werde im Fall des Insolvenzverwalters auch nicht durch § 1 Abs. 3 IFG ausgeschlossen.

Durch Bescheid vom 06.03.2009 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der Kläger gehöre als Insolvenzverwalter nicht zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis. Im Übrigen seien nach § 1 Abs. 3 IFG die speziellen Regelungen der Insolvenzordnung, insbesondere § 97 InsO vorrangig. Zudem sei ein Auskunftsrecht des Insolvenzverwalters mit den Grundsätzen des Zivilprozesses, insbesondere mit dem Verbot der Ausforschung nicht zu vereinbaren. Der Informationszugang sei auch nach § 3 Nr. 6 IFG ausgeschlossen, da anderenfalls die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung beeinträchtigt würden. Das Auskunftsbegehren sei schließlich als missbräuchlich nach § 9 Abs. 3 IFG abzulehnen.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 17.03.2009 Widerspruch. Zur Begründung verwies der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend führte er aus, dass im vorliegenden Fall etwaige Anfechtungsansprüche gemäß § 146 Abs. 1 InsO verjährt seien. Schon deshalb seien wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungsträger im Sinne von § 3 Nr. 6 IFG nicht berührt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Kläger verlange die Auskunft als Insolvenzverwalter und gehöre damit nicht zum auskunftsberechtigten Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG, da er nicht „jeder” im Sinne der Vorschrift sei. Zudem seien nach § 1 Abs. 3 IFG die spezialgesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung und der Zivilprozessordnung vorrangig. § 97 InsO regele die Auskunftsrechte des Insolvenzverwalters abschließend. Dem Auskunftsbegehren des Insolvenzverwalters stünden auch, wie der Bundesgerichtshof ausdrücklich festgestellt habe, Grundsätze des Zivilprozesses, insbesondere das Verbot der Ausforschung entgegen. Ein Auskunftsanspruch bestehe dann nicht, wenn die Informationen – wie hier – zur Vorbereitung etwaiger Anfechtungsansprüche erlangt werden sollten. Der Informationszugang sei auch nach § 3 Nr. 6 IFG ausgeschlossen, da die Informationen geeignet seien, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherung zu beeinträchtigen.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 15.01.2010 hat” der Kläger am 28.01.2010 Klage erhoben. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 28.07.2008, Az.: 8 A 1548/07). Weiter trägt er vor, dass der Insolvenzverwalter wie jeder andere zur Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz berechtigt sei. Die Vorschrift des § 97 InsO sei eine verfahrensrechtliche Vorschrift des Insolvenzrechts und schließe die Informationsansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz nicht aus. Der Informationszugang sei auch nicht nach § 3 Nr. 6 IFG ausgeschlossen. Die Norm schütze die Träger der Sozialversicherung vor Ausforschung durch andere Krankenkassen. Diese Gefahr bestehe hier nicht. Die begehrten Angaben könnten auch nicht aus den Geschäftsunterlagen des Insolvenzschuldners ermittelt werden, weil die auf dem PC hinterlegten Daten aus technischen Grü...

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