Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung auch bei rechtswidriger verkehrsbehördlicher Anordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Selbst wenn die verkehrsbehördliche Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, rechtswidrig war, kann aufgrund nachträglicher bzw. zusätzlicher Erkenntnisse, die im Widerspruchsverfahren zu verwerten sind, ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung – hier aufgrund einer hauptsacheoffenen Abwägung – zurückgewiesen werden.

 

Normenkette

VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 Hs. 2, Abs. 1, 2 Nr. 4; StVG § 3 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 4 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. q; FeV § 46 Abs. 1, § 11

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Der für ein privates Reiseunternehmen als Schulbusfahrer und im Linienverkehr arbeitende 68-jährige Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz mit Blick auf den Bescheid der Antragsgegnerin vom 4.12.2006, mit welchem ihm die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Klassen D1, D1E, D und DE (Fahrgastbeförderung) mit sofortiger Wirkung entzogen worden ist, weil er – so die Begründung – als ungeeignet zum Führen der betreffenden Fahrzeuge anzusehen sei, nachdem er das von ihm geforderte Eignungsgutachten nicht vorgelegt habe.

Sein sinngemäßer Antrag, die aufschiebende Wirkung des gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruchs wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Der Antrag hat indes in der Sache keinen Erfolg.

Zunächst ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung ihrer Maßnahme entsprechend den rein formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet hat. Sie legt insoweit aus ihrer Sicht der Sach- und Rechtslage nachvollziehbar dar, dass ein die Interessen des Antragstellers überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehe, zum Führen von Kraftfahrzeugen zur Personenbeförderung ungeeignete Kraftfahrer schnellstmöglich bzw. bereits für die Dauer eines zu erwartenden Rechtsbehelfsverfahrens als Führer entsprechender Fahrzeuge vom öffentlichen Straßenverkehr auszuschließen, da sonst der Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer und der Fahrgäste nicht gewährleistet werden könne.

Ist somit die sofortige Vollziehung formell ordnungsgemäß angeordnet worden, hat das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu entscheiden, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers am Aufschub der Vollziehung schwerer wiegt. Hierbei sind vorrangig die Erfolgsaussichten des ergriffenen Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Dem öffentlichen Interesse gebührt dabei in der Regel der Vorrang, wenn der Rechtsbehelf aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Umgekehrt überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, wenn der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg verspricht. Erweisen sich die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen, erfordert die Entscheidung eine unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung mit dem privaten Interesse des Fahrerlaubnisinhabers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache weiterhin von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können.

Vorliegend gelangt die Kammer aufgrund einer hauptsacheoffenen Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der gegenüber dem Antragsteller verfügten Fahrerlaubnisentziehung überwiegt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Aufforderung der Antragsgegnerin an den Antragsteller, ein Gutachten über eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) beizubringen, um behördliche Bedenken hinsichtlich seiner Eignung zum Führen von Fahrzeugen der Fahrerlaubnis-Klassen D1, D1E, D und DE auszuräumen, rechtswidrig gewesen ist, mithin die Antragsgegnerin allein wegen der fehlenden Vorlage eines solchen Gutachtens nicht auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen der betreffenden Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr schließen durfte bzw. darf. Von ausschlaggebender Bedeutung ist indes, dass im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, d.h. vor dem zur Beurteilung der Kraftfahreignung des Antragstellers maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (im Widerspruchsverfahren) Erkenntnisse gewonnen werden konnten, die es rechtfertigen, den Antragsteller vorläufig von einer Teilnahme am Straßenverkehr mit Fahrzeugen der hier in Rede stehenden Klassen auszuschließen.

Nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 4 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe q StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnis (zwingend) zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kr...

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