Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Aussagekraft von Haaranalyse-Werten beim Konsum von Cannabis. Kraftfahreignung

 

Leitsatz (amtlich)

Werden bei einer Haaranalyse Werte an Tetrahydrocannabinol (THC) gemessen, die innerhalb der Spanne von 0,1 bis 1,0 ng/mg Haar liegen (im konkreten Fall: 0,14 ng/mg), so lässt dies mangels einer zuverlässigen bzw. wissenschaftlich gesicherten Korrelation zwischen Aufnahmemenge und Konzentration des Wirkstoffes im Haar keinen Rückschluss darauf zu, ob der Proband nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben zur Beurteilung der Kraftfahreignung nur gelegentlicher oder regelmäßiger Konsument von Cannabis ist.

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3 S. 1; VwGO § 43 Abs. 1, §§ 80, 88, 168 Abs. 1 Nr. 3; StVG § 3 Abs. 1 S. 1; FeV § 3 Abs. 1 S. 1, §§ 6, 8, 11, 14, 46

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Bereits im August 2000 verfügte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller wegen des Konsums so genannter harter Drogen (Kokain) sowie Cannabis die Entziehung der Fahrerlaubnis und hob diese Entscheidung im August 2002 wieder auf, nachdem der Antragsteller eine seine Kraftfahreignung positiv beurteilende medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) vorgelegt hatte.

Im Oktober 2007 unterrichtete die Kriminalpolizeiinspektion Saarlouis den Antragsgegner darüber, dass sich anlässlich eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Antragsteller Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass dieser durch den häufigen Konsum von Betäubungsmitteln bzw. Marihuana zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet sei. Nach eigenen Angaben konsumiere der Antragsteller seit zwei Jahren wöchentlich ca. 3 g Marihuana. Bei einer Hausdurchsuchung seien bei ihm etwa 123 g netto getrocknete Marihuanablüten sowie sechs Hanfpflanzen (Indoor-Anzucht) sichergestellt worden. Der Antragsgegner forderte den Antragsteller daraufhin unter Darlegung dieses Sachverhalts auf, zum Nachweis seiner Kraftfahreignung ein MPU-Gutachten beizubringen. Der Antragsteller reagierte darauf nicht. Auch das spätere Anhörungsschreiben des Antragsgegners zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis beantwortete er nicht.

Mit Bescheid vom 28.3.2008 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller mit sofortiger Wirkung die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge aller Klassen und begründete dies damit, dass der Antragsteller das von ihm wegen des Verdachts regelmäßigen Konsums von Cannabis rechtmäßig geforderte Gutachten über eine MPU nicht beigebracht bzw. verweigert habe, so dass hieraus auf die fehlende Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werde.

Mit Schriftsatz vom 7.4.2008 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht des Saarlandes einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruchs, welchen das Gericht mit Beschluss vom 29.4.2008 (10 L 332/08) als unbegründet zurückwies. Im daraufhin vom Antragsteller eingeleiteten Beschwerdeverfahren (1 B 230/08) nahmen die Beteiligten den mit Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 7.7.2008 vorgeschlagenen Vergleich an, welcher lautet:

“1. Der Antragsteller bekommt Gelegenheit, sich binnen vier Wochen einem Haartest (hilfsweise: einer ärztlichen Untersuchung bei einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung) zu unterziehen, der darüber Aufschluss gibt, ob er in den letzten 6 Monaten harte Drogen oder regelmäßig Cannabis konsumiert hat.

2. Nach Vorlage des Untersuchungsergebnisses überprüft der Antragsgegner seinen Bescheid vom 28.03.2008 und verpflichtet sich für den Fall, dass der Antragsteller in den letzten 6 Monaten weder harte Drogen noch regelmäßig Cannabis konsumiert hat, den Bescheid aufzuheben.

3. Bis zu einer Aufhebung bleibt es bei der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides vom 28.03.2008.

4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.”

Am 4.8.2008 wurde dem Antragsteller im Gesundheitsamt M… eine Haarprobe entnommen und zur toxikologischen Untersuchung an das Institut für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes in Homburg verschickt. Mit Schreiben vom 10.11.2008 teilte der Amtsarzt beim Gesundheitsamt M… dem Antragsgegner mit, dass bei der Untersuchung der Haare des Antragstellers Cannabinoide nachgewiesen worden seien. Bei der quantitativen Bestimmung hätten sich Werte von 0,14 ng/mg Tetrahydrocannabiol (THC) und ca. 0,02 ng/mg Cannabinol ergeben. Dazu erläuterte der Amtsarzt, dass bei wöchentlichem bis täglichem Cannabiskonsum üblicherweise THC-Konzentrationen im Bereich von 0,1 bis 1 ng/mg gefunden würden. Mindestens täglicher bzw. noch stärkerer Konsum äußere sich in THC-Konzentrationen von über 1 ng/mg. Im vorliegenden Falle sprächen die gemessenen THC-Werte also eher für einen wöchentlichen bis täglichen Cannabiskonsum. Da Haare etwa einen Zentimeter pro Monat wüchsen, beziehe sich diese Aussage auf einen Zeitraum von ca. sechs Monaten vor dem Datum der Probenahme.

In der...

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