Leitsatz

Ein Beschluss über den Verzicht auf die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen ehemaligen Verwalter stellt nicht per se einen Fall der nicht ordnungsmäßigen Verwaltung dar, da nicht zwangsläufig Vermögensinteressen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vereitelt werden.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 4

 

Das Problem

Wohnungseigentümer K geht gegen den Beschluss vor, mit dem die Wohnungseigentümer namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschlossen haben, gegen den ehemaligen Verwalter V keine Ansprüche auf Schadensersatz geltend zu machen. K hält das nicht für richtig. V habe die Kosten für einen Rechtsanwalt bei einer Anfechtungsklage dem Verwaltungsvermögen entnommen. Die Klage hat keinen Erfolg!

 

Die Entscheidung

Der Beschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Vermögensinteressen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer würden durch ihn nicht vereitelt werden. K habe nämlich einen möglichen Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht ausreichend dargelegt. Hinzu komme, dass K selbst noch kein Schadensersatzanspruch zustehe. Die von V im Jahr 2012 gezahlten Verfahrenskosten seien bislang nicht verbucht worden, weshalb auch keine – möglicherweise unrichtige – Zuweisung dieser Kosten, die grundsätzlich die anderen Wohnungseigentümer zu tragen hätten, an K erfolgt sei.

 

Kommentar

Anmerkung

Soweit den Wohnungseigentümern Ermessen eingeräumt ist, müssen sie alle für und gegen eine Maßnahme sprechenden Umstände abwägen. Hat eine ordnungsmäßige Abwägung stattgefunden, ist jede vertretbare Entscheidung hinzunehmen. Es kommt für die Vertretbarkeit nicht darauf an, dass eine Regelung, gegebenenfalls aus Sicht einer Minderheit, in jeder Hinsicht notwendig und zweckmäßig ist: Stets können mehrere Maßnahmen ermessensfehlerfrei sein. Sind mehrere Entscheidungen möglich und vertretbar, können die Wohnungseigentümer frei wählen, für welche sie sich entscheiden. Die Wohnungseigentümer sind dabei berechtigt, auf (Schadensersatz-)Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegenüber Wohnungseigentümern oder Dritten, z.B. – wie im Fall dem Verwalter – zu verzichten oder diese zu erlassen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Die Wohnungseigentümer können nach herrschender Meinung Mittel für eine möglicherweise später erhobene Anfechtungsklage und eine etwaige Berufung (= die Gebührenansprüche des vom Verwalter bestimmten Rechtsanwalts sowie die Gerichtskosten) prospektiv ansammeln, wenn Anfechtungsklagen "allgemein zu erwarten sind". Dies ist der Fall, wenn Ausgaben feststehen oder im kommenden Wirtschaftsjahr zu erwarten sind. Der Weg, die Mittel anzusammeln, soll darin bestehen, als Kostenposition Mittel für Anfechtungsklagen im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen anzusetzen. Seien Anfechtungsklagen hingegen nicht abzusehen, soll es ferner möglich sein, dass die Wohnungseigentümer den Verwalter aktuell zu ermächtigen, das Verwaltungsvermögen für eine Anfechtungsklage einzusetzen. Bei der Beantwortung der Frage, ob der eine oder andere Fall vorliegt, hätten die Wohnungseigentümer Ermessen. Hat der Verwalter dem Verwaltungsvermögen zur Finanzierung einer Anfechtungsklage entnommen, sind sie in der Gesamtabrechnung als Ausgabe darzustellen; dies gilt auch dann, wenn es an einer Kostenposition oder Ermächtigung fehlte.
  2. Umlageschlüssel für die Ansammlung der Mittel ist jeweils § 16 Abs. 2 WEG. Für die Umlage eines etwaigen Einsatzes der Mittel soll das allerdings nicht gelten. Die Mittel sollen in den Einzelabrechnungen unter Aussparung des oder der klagenden Wohnungseigentümer unter die übrigen Wohnungseigentümer zu verteilen sein. Diese Sichtweise ist vertretbar, wenn man in dem Beschluss über die Kostenposition oder der Ermächtigung des Verwalters einen beschlossenen, konkludenten Umlageschlüssel sieht, der diese Umlage anordnet.
  3. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens soll die Verteilung nach herrschender Meinung gemäß der gerichtlichen Kostenentscheidung gemäß §§ 91ff. ZPO, §§ 49 und 50 WEG gegebenenfalls wieder korrigiert werden. Unter den Wohnungseigentümern, die verlieren, soll dann im Zweifel § 16 Abs. 2 WEG anwendbar sein – näher lägen die Köpfe. Dieses Denken ist allerdings falsch. Die ursprüngliche Abrechnung wird durch die gerichtliche Kostenentscheidung nicht falsch: Die beklagten Wohnungseigentümer mussten ihre Kosten jeweils tragen. Stehen den beklagten Wohnungseigentümern gegen den klagenden Wohnungseigentümer Ansprüche zu, sind diese jenseits der Abrechnung zu regulieren. Es handelt sich insoweit um keine Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
 

Link zur Entscheidung

LG Stuttgart, Urteil v. 29.11.2017, 19 S 27/17

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