Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann in der Zeit der Minderjährigkeit eines Kindes titulierter Kindesunterhalt nach Erreichen der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes der Verwirkung gemäß § 242 BGB unterliegt.

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde über den Kindesunterhalt.

Der Kläger ist der Vater der am 26.2.1988 geborenen Beklagten, zu deren Gunsten zuletzt durch Beschluss des AG vom 27.3.2001 monatlicher Kindesunterhalt i.H.v. 114 % des Regelbetrages (West) in der 3. Altersstufe abzüglich des anrechenbaren Kindergeldes gegen den Kläger festgesetzt worden war. Bis zur Volljährigkeit der Beklagten war das Jugendamt im Rahmen einer Beistandschaft in Unterhaltsangelegenheiten für sie tätig geworden.

Der Kläger geriet mit den Zahlungen auf den titulierten Kindesunterhalt in Rückstand. Am 21.12.2005 teilte das Jugendamt ihm mit, dass für den Zeitraum nach dem 21.6.2004 teilweise auf die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss verzichtet werde. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen entfaltete das Jugendamt danach nicht mehr. Unter Datum vom 24.2.2006 erteilte das Jugendamt der Beklagten einen Schlussbericht über die Beistandschaft und übersandte ihr die Vollstreckungsunterlagen mit der Anmerkung, dass der - auch unter Berücksichtigung des Vollstreckungsverzichts - weiterhin bestehende Unterhaltsrückstand nunmehr ihr persönlich in voller Höhe zustehe.

Mit Schreiben vom 5.2.2007 wurde der Kläger von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vergeblich zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts i.H.v. 2.120,40 EUR bis zum 20.2.2007 aufgefordert. Am 16.3.2007 erteilte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten Vollstreckungsauftrag zur Beitreibung des Unterhaltsrückstandes. Daraufhin kündigte der Gerichtsvollzieher dem Kläger die Zwangsvollstreckung an.

Mit seiner Klage erstrebte der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus dem Kindesunterhaltstitel für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Rückzahlung der von ihm zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Beträge zu verurteilen. Er berief sich auf die Verwirkung des Anspruchs der Beklagten.

Erstinstanzlich wurde die Klage abgewiesen. Die hiergegen von dem Kläger eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Ebenso wie das erstinstanzliche Gericht ging auch das OLG davon aus, dass der titulierte Kindesunterhaltsanspruch der Beklagten nicht gemäß § 242 BGB verwirkt sei.

Der für das Zeitmoment der Verwirkung maßgebliche Zeitraum habe nicht vor der Vollendung des 18. Lebensjahres der Beklagten am 26.2.2006 beginnen können.

Die Verwirkung eines Rechts stelle nach allgemeiner Auffassung einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung dar wegen widersprüchlichen Verhaltens dar (Palandt/Heinrichs BGB, 67. Aufl., § 242 Rz. 87. Münch/KommRoth BGB, 5. Aufl., § 242 Rz. 296. StaudingerLooschelders/Olzen BGB [Stand: Juli 2005] § 242 Rz. 302. Larenz Schuldrecht I Allgemeiner Teil 14. Aufl., § 10 II b). Ein Recht könne durch längere Nichtausübung verwirkt werden, wenn dadurch der andere Teil zu der berechtigten Überzeugung habe gelangen können, der Berechtigte werde keinen Gebrauch mehr davon machen und gegen den Berechtigten somit der Vorwurf einer illoyal verspäteten Geltendmachung seines Rechts erhoben werden könne.

Dieser Vorwurf könne die Beklagte jedoch frühestens mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres am 26.2.2006 treffen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie erstmalig in Bezug auf die Geltendmachung des Rechts eine eigene Entscheidung treffen können.

Richtig sei, dass der Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes einen in der Vergangenheit bereits verwirkten Kindesunterhaltsanspruch nicht wieder aufleben lassen könne. Der titulierte Unterhaltsanspruch der Beklagten sei indessen am 26.2.2006 noch nicht verwirkt gewesen, selbst wenn der Kläger Anfang 2005 seine Zahlungen eingestellt haben sollte.

Insoweit verwies das OLG darauf, dass anders als beim Unterhaltsanspruch von Volljährigen der Unterhaltsschuldner bei minderjährigen Kindern allein aus der unterlassenen Geltendmachung des titulierten Unterhalts über den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr redlicherweise nicht den Schluss ziehen dürfe, dass die Kinder nicht mehr unterhaltsbedürftig seien und sich auf den Wegfall der Unterhaltszahlungen eingerichtet hätten. Dies gelte vor allem dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die titulierten Unterhaltsansprüche der Sicherstellung des reinen Existenzminimums dienten (OLG Hamm FuR 2003, 221, 222. OLG Köln FamRZ 2000, 1434 f., OLG Dresden JAmt 2004, 337, 338, jurisPK/Viefhues BGB, 3. Aufl. [Stand: März 2008] § 1613 Rz. 119).

Minderjährigen Kindern ständen typischerweise nicht die gleichen Möglichkeiten zur Bedarfsdeckung zur Verfügung wie dies bei Volljährigen der Fall sei. Nur wenn der Unterhaltsschuldner ausnahmsweise darauf vertrauen dürfe, dass etwa der betreuende Elternteil willens und in der Lage sei, endgültig auch für den Barunterhalt des Kindes aufzukommen, k...

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