Leitsatz

Wohnungseigentümer können im Verwaltungsprozess nicht als Standschafter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auftreten

 

Normenkette

§ 42 Abs. 2 VwGO; Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO

 

Das Problem

  1. Mehrere Wohnungseigentümer wenden sich im Wege einer Klage und im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück.
  2. Die klagenden Wohnungseigentümer wollen, dass die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung angeordnet wird und dass verfügt wird, die Bauarbeiten einzustellen. Sie befürchten, dass Wasser in ihr Sondereigentum eindringt.
  3. Das Verwaltungsgericht Augsburg weist den Eilantrag zurück. Das Vorhaben verletze keine im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften des Bauplanungsrechts.

    Art. 59 BayBO (Vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren)

    Außer bei Sonderbauten prüft die Bauaufsichtsbehörde

    1. die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1,
    2. beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 sowie
    3. andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.

    Art. 62 bleibt unberührt.

    Die Ableitung von Regenwasser in die dafür vorhandene 2. Rohrleitung habe ein Gutachter zwar als "grenzwertig" angesehen. Das bedeute aber, dass diese Ableitungsanlage noch als ausreichend angesehen werden könne und die Erschließung damit gesichert sei.

  4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Wohnungseigentümer. Sie rügen, die Leitung für das Oberflächenwasser (Regenwasser) habe keine ausreichenden Sicherheitsreserven, weshalb die Gefahr von Überflutungen des tiefer gelegenen Grundstücks – des WEG-Grundstücks – bestehe und Schäden auch an ihrem Sondereigentum entstehen könnten. Sie seien auch klagebefugt: Mit Beschluss vom 3.7.2014 hätten sämtliche Wohnungseigentümer die bisherige Prozessführung der klagenden Wohnungseigentümer genehmigt und diese ermächtigt, die Rechte der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im eigenen Namen geltend zu machen.
  5. Der Nachbar wendet ein, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entfallen sei, weil der Rohbau mittlerweile fertiggestellt ist. Unabhängig davon seien die Anforderungen des Art. 11 BayBO (Schutz gegen Einwirkungen durch bauliche Anlagen) nicht Gegenstand der Prüfung im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO.
 

Die Entscheidung

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg! Die Klage gegen die Baugenehmigung werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Selbst bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme des WEG-Grundstücks seien die klagenden Wohnungseigentümer nicht klage- und antragsbefugt.
  2. Bei der Abwehr von Beeinträchtigungen des im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Grundstücks (§ 1 Abs. 5 WEG) handele es sich um Maßnahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 21 WEG). Zur Wahrnehmung entsprechender Rechte gegenüber Dritten sei gemäß § 10 Abs. 6 Satz 1 bis 3 WEG die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer befugt. Diese Befugnis könne im verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsrechtsstreit nicht rechtsgeschäftlich dergestalt auf Dritte übertragen werden, dass diese fremde Rechte – hier der insoweit rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – in eigenem Namen geltend machen können. § 42 Abs. 2 VwGO verlange für die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht. Eine gewillkürte Prozessstandschaft sei ausgeschlossen (Hinweis auf BVerwG v. 26.10.1995, 3 C 27/94, NVwZ-RR 1996 S. 537; BayVGH v. 16.8.2000, 19 B 99.2247, BayVBl 2001 S. 725).
 

Kommentar

Anmerkung

Die Entscheidung verkennt, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zwar gemeinschaftsbezogene Ansprüche der Wohnungseigentümer ausführt. Sie ist insoweit aber nicht Rechtsinhaberin. Die Wohnungseigentümer wären daher gar keine Standschafter der Gemeinschaft, sondern würden eigene Rechte einklagen. Ferner verkennt die Entscheidung, dass die klagenden Wohnungseigentümer Schäden an ihrem Sondereigentum befürchteten. Insoweit sind indessen allein sie klagebefugt. Es bleibt mithin dabei, dass die Verwaltungsgerichte immer noch Schwierigkeiten haben, das reformierte WEG angemessen umzusetzen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Soll der Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Recht der Wohnungseigentümer in einem Verwaltungsprozess durchsetzen, bedarf er dafür einer Ermächtigung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG.

 

Link zur Entscheidung

Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.07.2014, 15 CS 14.949

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