Nicht selten regeln die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung eine Angelegenheit durch allstimmigen Beschluss. Außerhalb der Eigentümerversammlung können Beschlüsse ohnehin nur allstimmig im schriftlichen Verfahren des § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG gefasst werden, soweit die Wohnungseigentümer nicht nach § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG im konkreten Einzelfall die Möglichkeit einer entsprechenden Mehrheitsentscheidung geschaffen haben. Zweifelhaft kann im Einzelfall jedenfalls sein, ob die Wohnungseigentümer tatsächlich "nur" einen Beschluss gefasst oder aber eine Vereinbarung getroffen haben.

 
Praxis-Beispiel

Erweiterung der Zweckbestimmung

In der Wohnungseigentümerversammlung sind sämtliche Wohnungseigentümer anwesend. Einstimmig regeln sie, dass die Wohnungen künftig über den Wohnzweck hinaus auch zu gewerblichen Zwecken genutzt werden können.

Die Rechtslage ist hier nicht mit wünschenswerter Deutlichkeit geklärt. Maßgeblich wird es auf den konkreten Einzelfall ankommen, ob eine derartige Regelung als Beschluss – und somit wegen fehlender Beschlusskompetenz als nichtig angesehen wird – oder als schuldrechtliche und wirksame Vereinbarung der Wohnungseigentümer.

Einerseits wird jedenfalls darauf abgestellt, es komme auf den Gegenstand der Regelung an. Eine Vereinbarung sei dann anzunehmen, wenn ein Beschluss nicht möglich wäre, weil die Beschlusskompetenz fehlt.[1] Andererseits wird auf die strukturellen Unterschiede zwischen Vereinbarung und Beschluss Bezug genommen, also den Vertragsschluss einerseits, der durch entgegengerichtete Willenserklärungen zustande kommt, und einer Stimmabgabe, bei der die anwesenden Wohnungseigentümer im Rahmen der Stimmabgabe gleichgerichtete Willenserklärungen an den Versammlungsleiter als Adressaten abgeben. Daneben wird auch auf formelle Begleitumstände abgestellt. So soll es für eine Beschlussfassung sprechen, wenn die Wohnungseigentümer "beschlossen" hätten und der Verwalter den Abstimmungsantrag als Beschluss verkündet habe.[2]

Nach diesseits vertretener Auffassung kommt es maßgeblich auf den Willen der Wohnungseigentümer an. Ausschlaggebend kann nicht sein, ob die Regelung in formeller Hinsicht als Beschluss oder Vereinbarung bezeichnet ist. Entscheidend kann auch nicht sein, ob der Verwalter – in Rechtsunkenntnis – einen Beschluss als gefasst verkündet, obwohl die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung getroffen haben und dies auch wollten. Maßgeblich ist, dass die Wohnungseigentümer die Regelung im Bewusstsein getroffen haben, dass sie die Rechtslage innerhalb der Gemeinschaft dauerhaft abändern.

 
Wichtig

Stets über Rechtslage kundig machen!

Verwalter sollten stets im Vorfeld der Eigentümerversammlung prüfen, ob bezüglich der einzelnen Regelungstatbestände Beschlusskompetenz besteht. Ist dies nicht der Fall, sollte der Verwalter die Wohnungseigentümer hierüber bereits im Vorfeld der Eigentümerversammlung aufklären und die Möglichkeit einer entsprechenden Vereinbarung aufzeigen, sollten in der Versammlung sämtliche Wohnungseigentümer anwesend sein. Der entsprechende Tagesordnungspunkt sollte dann auch mit "Vereinbarung" betitelt werden.

Sind tatsächlich sämtliche Wohnungseigentümer anwesend und stimmen sie für die begehrte Regelung, wird der Verwalter in der Niederschrift der Versammlung vermerken, dass die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung getroffen haben:

TOP XX Vereinbarung über künftige Nutzung der Wohnungen auch zu gewerblichen Zwecken

"Die Wohnungseigentümer vereinbaren, dass die Wohnungen künftig über Wohnzwecke hinaus auch zu gewerblichen Zwecken genutzt werden können."

Der Verwalter sollte die Wohnungseigentümer weiter darauf aufmerksam machen, dass zur Bindung von Sonderrechtsnachfolgern die Eintragung der Vereinbarung im Grundbuch erforderlich ist. Er kann sich dementsprechend in der Vereinbarung ermächtigen lassen, einen Notar mit der entsprechenden Umsetzung beauftragen zu können. Die Wohnungseigentümer sind weiter darüber aufzuklären, dass ihre Unterschriften öffentlich zu beglaubigen sind und sie demnach hierzu den Notar aufsuchen sollten.[3]

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