Leitsatz

  1. Haftung des Verwalters für nicht vollständig vollzogenen Sanierungsbeschluss (hier: Aufzugssanierung)
  2. Gerichtliche Schätzung der Schadenshöhe
 

Normenkette

§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG; § 280 BGB

 

Kommentar

  1. Eine Gemeinschaft hatte Kompletterneuerung einer Aufzugsanlage zu einem Kostenvolumen von ca. 65.000 EUR beschlossen. Der angebotene Austausch auch der Fahrkorbschienen wurde allerdings nicht durchgeführt, vielmehr nachträglich ein geringer Preisnachlass vom Verwalter mit dem Handwerksunternehmer vereinbart. Beschlussweise wurde daraufhin der Verwalter in Schadensersatzregress wegen nicht ordnungsgemäßer Durchführung des Eigentümerbeschlusses genommen.
  2. Dem Grunde nach wurde der Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft gemäß §§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG bestätigt, da der Verwalter den Beschluss zur Kompletterneuerung der Aufzugsanlage nicht vollständig ausgeführt habe (kein Austausch der Fahrkorbschienen). Einem Verwalter steht hier eine Entscheidung nicht frei (vgl. auch BGH, NZM 2011 S. 454/455); er kann auch nicht selbst bestimmen, ob er einen Beschluss ausführt oder nicht; der Verwalter ist weisungsgebundenes Vollzugsorgan der Gemeinschaft und besitzt nur im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung ein gewisses Ausführungsermessen; eine Abweichung von Beschlüssen ohne vorherige Rücksprache der auftraggebenden Gemeinschaft ist nur bei Gefahr im Verzug möglich (vgl. auch LG Frankfurt a.M., NZM 2010 S. 870 m.w.N.). Ebenfalls hätte vorliegend der Verwalter vor seinem Entschluss, durch Nichthandeln von der Beschlusslage abzuweichen, eine neuerliche Willensbildung in der Gemeinschaft herbeiführen müssen.
  3. Von pflichtwidriger, zumindest fahrlässiger Schuld des Verwalters ist auszugehen, wenn er trotz Kenntnis der Umstände das bauausführende Unternehmen nicht dazu anhält, die Schienen der Aufzugsanlage auszutauschen. Er hätte für eine Komplettausführung des Beschlusses sorgen müssen (vgl. auch OLG München, ZMR 2006 S. 716/717).
  4. Vorliegend handelt es sich nicht um einen Schadensersatz"statt der Leistung", sondern "neben der Leistung". Maßgebend ist insoweit, dass der Schaden bei der klägerischen Gemeinschaft endgültig entstanden ist und nicht durch Nachbesserung beseitigt werden kann. Heute kann der Beschluss von der Verwaltung nicht mehr vollständig umgesetzt werden; die Aufzugserneuerungsarbeiten waren auch bereits seit Längerem abgeschlossen, sodass die diesem Unternehmen obliegenden Leistungspflichten bereits durch Erfüllung erloschen waren. Hier kommt es auf die Unmöglichkeit der Leistungserbringung seitens des beklagten Verwalters an, nicht aber auf die Frage, ob auch der nachträgliche Einbau der Schienen noch möglich sei.
  5. Hinsichtlich der Schadenshöhe ist auf ein rechnerisches Minus der Vermögenslage im Vergleich zu der, die ohne das Ereignis eingetreten wäre, abzustellen (sog. Differenzhypothese, vgl. BGH, NJW-RR 2005 S. 611/612). Entscheidend ist das sog. Integritätsinteresse eines Gläubigers, weshalb nicht der Ersatz des sog. großen Schadensersatzes, sondern nur Ersatz für die Einbuße im sonstigen Vermögen einer Gläubigerseite verlangt werden kann. Haftung des Verwalters besteht hier für den Minderwert, der sich in den erbrachten Leistungen der Unternehmerfirma niedergeschlagen hat, nicht aber für die fiktiven Kosten einer Mängelbeseitigung. Die nachteilige Vermögenslage aufseiten der Gemeinschaft ergibt sich daraus, dass die Leistungen der Unternehmerfirma vergütet wurden, ohne dass der fehlende Austausch der Fahrkorbschienen bei Berechnung der Zahlung ausreichend in der Weise berücksichtigt worden ist, dass der vom Verwalter seinerzeit vereinbarte Minderungsbetrag (hier von 1.020 EUR) die Minderleistungen der Firma kompensieren konnte. Nach gerichtlicher Schätzung war der Mangelfolgeschaden entgegen der Klageforderung von knapp 10.000 EUR auf etwa 2.500 EUR zu reduzieren (gemäß Sachverständigengutachten, nach Mittelwert-Schätzung).
 

Link zur Entscheidung

LG Hamburg, Urteil v. 15.11.2012, 318 S 225/10

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