Leitsatz

Grobes Verschulden erfordert Vorsatz oder mindestens grobe Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt dabei, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen, wobei auch subjektive Umstände zu berücksichtigen sind.

 

Normenkette

§ 49 Abs. 2 WEG

 

Das Problem

  1. Das AG München gibt der Klage von Wohnungseigentümer W statt. Es stellt fest, dass in der Versammlung weder ein Beschluss gefasst wurde, wonach 2 Wohnungseigentümer jedwede Haftung für die Ertüchtigung des Brandschutzes in Bezug auf das Dachgeschoss einschließlich Speicherbereich übernehmen, noch ein Beschluss, wonach 2 Wohnungseigentümer die Ertüchtigung des Brandschutzes in Bezug auf das Dachgeschoss einschließlich Speichereinheiten zusichern. Die Kosten des Rechtsstreits legt es Verwalter V auf.
  2. Gegen den Kostenausspruch wendet sich V mit seiner sofortigen Beschwerde. Er meint, ihn treffe schon kein grobes Verschulden. Er habe aber auch keine Veranlassung i.S.v. § 49 Abs. 2 WEG gegeben.

    § 49 WEG (Kostenentscheidung)

    (1) Wird gemäß § 21 Abs. 8 nach billigem Ermessen entschieden, so können auch die Prozesskosten nach billigem Ermessen verteilt werden.

    (2) Dem Verwalter können Prozesskosten auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft, auch wenn er nicht Partei des Rechtsstreits ist.

 

Die Entscheidung

Mit Erfolg! Das Rechtsmittel sei statthaft, zulässig und begründet. Gegen die Entscheidung gemäß § 49 Abs. 2 WEG ist die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff. ZPO statthaft. § 99 Abs. 1 ZPO stehe dem nicht entgegen, weil der nicht beigetretene Verwalter "keine Prozesspartei des Anfechtungsverfahrens sei". Das AG habe V zu Unrecht die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auferlegt. Gemäß § 49 Abs. 2 WEG könnten dem Verwalter die Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden, wenn er den Rechtsstreit verursacht hat und ihm ein grobes Verschulden zur Last fällt. Es erscheine bereits zweifelhaft, ob V eine Veranlassung der gerichtlichen Tätigkeit gegeben habe.

Eine Veranlassung könne jedenfalls nicht in einer fehlerhaften Einberufung oder Abstimmung trotz Ladungsmangel gesehen werden. Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG sei nicht ersichtlich. Unabhängig davon, dass nach den Feststellungen des AG's keine Beschlüsse gefasst wurden, wären entsprechende Beschlüsse von der Ankündigung gemäß Einladungsschreiben umfasst gewesen.

Auch eine "widersprüchliche" Protokollierung liege nicht vor. Nach "Aktenlage" liege lediglich eine Abweichung zwischen der Endfassung des Protokolls und seinem Entwurf vor. Auch soweit V's Kostentragungspflicht auf die Aufnahme nicht gefasster Beschlüsse in die Niederschrift bzw. den Umstand gestützt werden soll, dass V gefasste Beschlüsse nicht hinreichend sicher dokumentiert habe, seien die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 WEG nicht erfüllt. Was die Aufnahme tatsächlich nicht gefasster Beschlüsse angehe, komme es allein auf die Endfassung der Niederschrift an. Ob insoweit ein Pflichtenverstoß vorliege, stehe nicht fest. Das AG habe nicht festgestellt, dass ein protokollierter Beschluss nicht gefasst wurde.

Jedenfalls sei kein grobes Verschulden erkennbar. Grob fahrlässig handle, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen, wobei auch subjektive Umstände zu berücksichtigen sind. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß reiche daher für sich alleine noch nicht aus. Die Pflichtverletzung müsse auch subjektiv schlechthin unentschuldbar sein. So liege es nicht. Zwar seien die Anforderungen an einen Verwalter erhöht, wenn er – so wie V – eine Hausverwaltung berufsmäßig führe. Es gehöre auch zu den "ureigensten" Aufgaben eines Verwalters, für eine ordnungsgemäße Versammlungsleitung und Protokollführung zu sorgen. Indes fehle es hier am subjektiven Moment. Es seien keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, welche die bestehenden Unklarheiten aus subjektiver Sicht besonders vorwerfbar, d.h. schlechthin unentschuldbar erscheinen ließen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Wohnungseigentümer einen rechtlich wie tatsächlich "äußerst komplexen Gegenstand" einvernehmlich regeln wollten. Eine solche verbindliche Regelung unter dem "Diktat des Wohnungseigentumsrechts" zu erzielen, stelle sich als ausgesprochen schwierig dar. Die Sachlage sei hier zusätzlich noch dadurch erschwert worden, dass die Wohnungseigentümer nicht lediglich einen vorformulierten Vorschlag akzeptierten, sondern in der Versammlung die Einzelheiten der Einigung umfangreich diskutiert wurden.

 

Kommentar

Anmerkung
  1. Jeder Verwalter muss seine gesetzlichen, die von den Wohnungseigentümern bestimmten und seine vertraglich übernommenen Pflichten pflichtgemäß erfüllen. Verletzt der Verwalter diese Pflichten schuldhaft, also vorsätzlich oder einfach fahrlässig (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB), schuld...

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