Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf hat, dass der Verwalter abberufen und dessen Vertrag gekündigt wird. Der Fall hat eine besondere "Brisanz", weil die Antworten erstmals nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Recht zu geben sind. Denn bei einer Beschlussersetzungsklage ist immer das Recht maßgeblich, das am Tag der mündlichen Verhandlung gilt, und nicht das Recht, das am Tag der Beschlussfassung noch galt.

Abberufung des Verwalters als Verwaltungsentscheidung

Die Abberufung des Verwalters ist eine Verwaltungsentscheidung. Die Wohnungseigentümer haben bei dieser ein Ermessen. Sie können zu einer Verwaltungsentscheidung in der Regel nur gezwungen werden, wenn wenigstens für das "ob" kein Ermessen besteht. So liegt es in den Fällen des § 19 Abs. 2 WEG. Im Übrigen gibt es für die Wohnungseigentümer nur dann kein "Entrinnen", wenn sich ihr Ermessen auf "null" reduziert hat. Dies meint der BGH, wenn er ausführt, "allein die Abberufung müsse dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen". Für die Antwort auf die Frage, wann das Ermessen bei einer Abberufung ausnahmsweise reduziert ist, gibt der BGH wichtige Hinweise. Danach ist vor allem zu prüfen, ob und in welcher Weise der Verwalter seine gesetzlichen und/oder vertraglichen Pflichten verletzt hat. Bei den Verstößen ist ferner zu fragen, wie lange sie zurückliegen und ob zu erwarten ist, dass sie sich wiederholen.

Entgegenstehende Bestimmungen

§ 26 Abs. 5 WEG bestimmt seit dem 1.12.2020, dass Abweichungen "von den Absätzen 1 bis 3" nicht zulässig sind. Dadurch ist jedenfalls einer Vereinbarung oder einem Beschluss, die etwas anderes bestimmen wollen, der Weg versperrt. § 26 Abs. 5 WEG verbietet es ferner, in Verträgen, beispielsweise im Verwalter- oder in einem Bauträgervertrag, von § 26 Abs. 1 bis Abs. 3 WEG abzuweichen.

Damit ist es vor allem nicht (mehr) möglich, im Verwaltervertrag die Abberufung des Verwalters auf einen wichtigen Grund einzuengen. Nach der WEG-Reform traten vielen Stimmen dafür ein, dass etwas anderes für "Altverträge" gelten müsse, also solche, die vor dem 1.12.2020 geschlossen worden waren. Man argumentierte, der Verwalter müsse auf seinen Vertrag vertrauen dürfen. Hier heißt es beim BGH kurz und knackig, entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag seien ebenfalls unwirksam geworden. Verwalter können sich also nicht darauf berufen, dass in ihrem Altvertrag Schutzmauern aufgebaut worden seien.

Wohnungseigentümer reagiert zu spät: Was gilt dann?

Ob ein Anspruch auf Abberufung ausgeschlossen ist, wenn ein Wohnungseigentümer diesen Anspruch nicht zeitnah zu dem letzten Vorfall verlangt, auf den die Forderung nach Abberufung gestützt wird, hat der BGH offengelassen. Im Fall habe K seine Forderung, den Verwalter abzuberufen, u. a. auf die seiner Auffassung nach unzureichende Umsetzung des Urteils im Vorprozess gestützt. Dieses Urteil sei erst am 31.7.2019 ergangen. Das Abberufungsverlangen in der Eigentümerversammlung vom 28.11.2019 könne daher nicht verspätet sein.

Mehrhausanlage und Jahresabrechnung

Der Kläger hatte dem Verwalter im Fall u. a. vorgeworfen, es habe keine einheitliche Jahresabrechnung gegeben, sondern nur hausbezogene Jahresabrechnungen. Ferner sei es nicht richtig gewesen, über die Jahresabrechnungen nur hausbezogen abzustimmen. In seinen Hinweisen an das LG – die so genannte "Segelanweisung" – weist der BGH insoweit darauf hin, ohne eigene Kenntnis der Gemeinschaftsordnung könne er selbst nicht beurteilen, inwieweit die getrennte Beschlussfassung eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Verwalters darstelle. Denn es sei mangels jeglicher Feststellungen zum Inhalt der Gemeinschaftsordnung offen, ob der Verwalter die Gemeinschaftsordnung pflichtwidrig nicht beachtet habe.

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