Leitsatz

Der Verwalter verletzt seine Pflichten aus dem Verwaltervertrag, wenn er ohne Beschluss der Wohnungseigentümer einen Werkvertrag schließt.

 

Normenkette

§§ 280 Abs. 1, 675 BGB

 

Sachverhalt

Das Problem

  1. Die Wohnungseigentümer diskutieren seit einiger Zeit über die Frage, welche Erhaltungsmaßnahmen im Bereich Fassadenanstrich, Treppenhausanstrich und Sanierung des Hausflurs erforderlich sind und durchgeführt werden sollen. Zum Hausflurfenster heißt es in der Niederschrift der Versammlung 2013 wie folgt:

    "Die uralten und daher noch einfach verglasten Fenster im Hausflur, die zum Teil auch nicht mehr richtig verschließbar sind, sollten saniert werden. Hier liegen 2 Angebote vor. Die Eigentümer W1 und W2 bestreiten, dass eine Erneuerung der Fenster erforderlich sei. Die Verwaltung wird einen Begehungstermin anberaumen, in dem die Fenster besichtigt werden. Beschlussantrag: Es wird noch ein Gegenangebot eingeholt. Über die Auftragsvergabe und Finanzierung der Maßnahme entscheidet die nächste ETV. Abstimmungsergebnis: Der Antrag wird mit 2 Ja-Stimmen (662,02 MEA) bei 2 Nein-Stimmen (336,98 MEA) angenommen."

  2. In der Folgezeit kümmert sich der Mehrheitseigentümer L um die Einholung weiterer Angebote und übermittelt dem Verwalter, der V-GmbH, ein Angebot der B-GmbH für Hausflurfenster ohne Klarglas und mit einem Rahmen in bestimmter Qualität. Die V-GmbH lädt vor diesem Hintergrund zu einer Versammlung am 6.11.2013. Dieser Einladung war das Angebot der B-GmbH beigefügt. Der genaue Ablauf der Versammlung ist strittig. In der Niederschrift, unterschrieben vom Versammlungsleiter, der Geschäftsführerin der V-GmbH, sowie einem Verwaltungsbeiratsmitglied und einer Wohnungseigentümerin, heißt es wie folgt:

    Alte und defekte Hausflurfenster. Ein Angebot wurde der Einladung zugelegt. Beschlussantrag: Der derzeit günstigste Anbieter, die X-UG, erhält den Zuschlag. Die Kosten werden aus der Rücklage finanziert. Abstimmungsergebnis: Der Antrag wird mit 663,02/1000 Ja-, 337,98/1000 Nein-Stimmen angenommen.

    Nach der Versammlung bittet L die V-GmbH mehrfach um Zusendung der Angebote der X-UG. Im Dezember teilt die V-GmbH mit, dass die Aufträge nun vergeben werden. L schreibt zurück, dass er sich noch kurzfristig bemühe, weitere und günstigere Angebote zu bekommen.

  3. In der Folgezeit kommt es zu Auseinandersetzungen wegen der Auftragsvergabe an die X-UG, die 11.000 EUR Vorschuss erhalten hat. Im Ergebnis wird die V-GmbH abbestellt und ihr Vertrag und der Vertrag mit der X-UG gekündigt. Ferner verklagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die V-GmbH auf Schadensersatz.
  4. Die Gemeinschaft ist der Auffassung, es fehle an einer wirksamen Beschlussfassung. In der Versammlung vom 6.11.2013 sei "noch davon die Rede gewesen, dass weitere Angebote eingeholt werden sollten". Die Protokollierung der Beschlussfassung sei deshalb ungenau. Im Übrigen sei der Beschluss auch deshalb unwirksam und zumindest für eine Auftragsvergabe nicht ausreichend, weil er die Einschränkung enthält, dass "derzeit" das billigste Angebot bei einem bestimmten Betrag liege. Das Angebot der X-UG sei niemals bekannt gegeben worden. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass aufgrund der personellen Verflechtungen zwischen der V-GmbH und der X- UG von einem "kollusiven Zusammenwirken" auszugehen sei.
 

Die Entscheidung

Die Klage hat Erfolg! Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne von der V-GmbH Schadensersatz verlangen. Zwischen den Parteien habe ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Form eines Verwaltervertrags bestanden. Die V-GmbH sei nicht entsprechend dem tatsächlichen Willen der "Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und ihrer Mitglieder" tätig geworden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme über die Abläufe der Versammlung am 6.11.2013 hätten die Wohnungseigentümer keine Auftragsvergabe an die X-UG beschlossen.

 

Kommentar

Anmerkung
  1. Der Fall zeigt, welche Gefahren von Verwaltern ausgehen können und dass das, was in der Niederschrift steht, falsch sein kann. Jeder Wohnungseigentümer sollte sich daher die Niederschrift sorgfältig durchlesen und sofort zu Korrekturen aufrufen, wenn die Niederschrift etwas Falsches beurkundet.
  2. Der Verwalter ist Amtsträger und Vertragspartner. Aus beiden Rechtsverhältnissen heraus schuldet er bei Pflichtverletzungen Schadensersatz.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Beschließen Wohnungseigentümer – anders als im Fall –, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einem Dritten einen Vertrag schließen soll, muss der Verwalter den Beschluss grundsätzlich unverzüglich umsetzen. Dass einem Wohnungseigentümer der Vertragsschluss unrecht ist und er zum Beispiel – wie im Fall – meint, die Leistungen seien billiger zu haben, ist unerheblich. Fordert ein Wohnungseigentümer – wie im Fall der L – den Verwalter auf, einen Vertragsschluss zu unterlassen, kann der Verwalter nur darauf hinweisen, dass ihm die "Hände gebunden sind". Der Wohnungseigentümer muss sein Glück woanders suchen.
  2. Es lohnt immer wieder darauf hinzuweisen, dass auf die Abfassung von Beschlü...

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