Leitsatz

Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit einem der umstrittensten Bereiche des neuen Versorgungsausgleichsrechts, dem Ausschluss von Bagatellfällen nach § 18 VersAusglG auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

Beide Eheleute hatten während der Ehezeit Anrechte der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Ehemann in den alten Bundesländern ein Anrecht im Ausgleichswert von 0,4281 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.286,16 EUR in den neuen Bundesländern ein Anrecht im Ausgleichswert von 0,0328 Entgeltpunkten (Ost) und einem korrespondierenden Kapitalwert von 146,74 EUR.

Die Ehefrau hatte in den alten Bundesländern ein Anrecht im Ausgleichswert von 1,8131 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 9.682,43 EUR erworben.

Das erstinstanzliche Gericht hat das Anrecht der Ehefrau ausgeglichen und nach § 18 Abs. 2 und 3 VersAusglG von einem Ausgleich der Anrechte des Ehemannes abgesehen, weil deren Ausgleichswerte die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG nicht überstiegen.

Das OLG hat die Beschwerde der Ehefrau, mit der sie den Ausgleich der Anwartschaften des Ehemannes begehrte, zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich ihre vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgte.

 

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der Ehefrau führte zur Aufhebung des Beschlusses des OLG.

In seiner Entscheidung führte der BGH zunächst aus, dass die maßgebliche Bezugsgröße für die gesetzliche Rentenversicherung i.S.d. § 5 Abs. 1 VersAusglG Entgeltpunkte und kein Rentenbetrag seien, so dass ein "anderer Fall" i.S.d. § 18 Abs. 3 VersAusglG vorliege und der korrespondierende Kapitalwert für die Bestimmung der Bagatellgrenze heranzuziehen sei.

Für die Prüfung innerhalb des § 18 VersAusglG sei die im Gesetz vorgegebene Reihenfolge zu beachten. Zunächst sei eine Prüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG vorzunehmen, ob bei beiderseitigen Anrechten gleicher Art die Differenz der Ausgleichswerte gering sei. Ergebe sich daraus kein Ausschluss des Ausgleichs dieser gleichartigen Anrechte, finde § 18 Abs. 2 VersAusglG auf diese gleichartigen Anrechte keine Anwendung. Anrechte in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung und in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung (Ost) seien daher keine Anrechte gleicher Art i.S.d. § 18 Abs. 1 VersAusglG. Dies sei hier lediglich bei Anrechten in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung zueinander der Fall.

Nach Maßgabe dessen sei § 18 Abs. 2 VersAusglG grundsätzlich auch auf einzelne Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung anwendbar. Sofern § 18 Abs. 2 VersAusglG dem Gericht einen Ermessensspielraum eröffne, einzelne Anrechte, die einen geringen Ausgleichswert aufwiesen, nicht auszugleichen, müsse der Gesetzeszweck besonders beachtet werden. Mit der Bagatellklausel des § 18 VersAusglG solle ein hoher Verwaltungsaufwand für den Versorgungsträger vermieden werden, der durch die Teilung eines Anrechts und die Aufnahme eines neuen Versorgungsanwärters verursacht werde, im Hinblick auf geringwertige auszugleichende Anrechte aber unverhältnismäßig hoch wäre. In der gesetzlichen Rentenversicherung entstehe neben dem einmaligen Verwaltungsvorgang der Teilung dieses Anrechts kein weiterer erheblicher Verwaltungsaufwand. Der Ausschluss von Bagatellrechten zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung finde seine Grenzen in einer unverhältnismäßigen Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes. Deshalb dürfe von einem Ausgleich nur aus besonderen Gründen abgesehen werden.

 

Hinweis

Der BGH hat mit dieser Entscheidung wichtige Grundsätze zur Auslegung der Bagatellklausel des § 18 VersAusglG aufgestellt und mehrere Streitfragen geklärt, die von dem Praktiker bei der Mandatsbearbeitung zu berücksichtigen sind. Eine unbedingt lesenswerte Entscheidung für jeden Familienrechtler, der mit den Regelungen zum Versorgungsausgleich befasst ist.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 30.11.2011, XII ZB 344/10

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