1 Leitsatz

Wird zu einem Beschlussgegenstand kürzer als 2 Wochen geladen, ist dies ein formeller Beschlussmangel. Dieser ist beachtlich, wenn die Beschlussfassung auf ihm beruht. Dies ist nicht der Fall, wenn feststeht, dass der angefochtene Beschluss auch bei ordnungsgemäßer Einberufung ebenso gefasst worden wäre. Ob es so liegt, müssen die beklagten Wohnungseigentümer beweisen.

2 Normenkette

WEG § 24 Abs. 4, § 43 Nr. 4

3 Das Problem

Verwalter V lädt mit Schreiben vom 23.10. zur Versammlung am 8.11. Mit Schreiben vom 2.11. ergänzt er die Tagesordnung u. a. um TOP 10 mit folgendem Text: "Beschluss über die nachträgliche Genehmigung des Anbringens einer Leuchtreklame an der Fassade des Objekts über der Einheit (…) im EG. Kosten sowie Folgekosten dieser Maßnahme gehen ausschließlich zulasten des Eigentümers der Einheit (…). Die Gemeinschaft ist von sämtlichen Kosten freizuhalten." In der Versammlung wird der entsprechende Beschluss abgelehnt. Gegen diesen Negativbeschluss geht Wohnungseigentümer K vor (er hatte den Antrag gestellt). Er meint, die Tagesordnung sei zu spät ergänzt worden. Bei rechtzeitiger Ankündigung hätte er die Möglichkeit gehabt, Alternativen vorzubereiten. Er habe auch einen Anspruch auf Genehmigung der Leuchtreklame. Der Beschluss gebe auch keine Alternative vor, wie die Reklame zulässig zu gestalten sei. Ihm sei die Anbringung der Leuchtreklame vom Bauträger genehmigt worden.

4 Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage hat Erfolg! K berufe sich mit Erfolg auf einen Ladungsmangel. Der Verwalter habe die Ladungsfrist nicht eingehalten. Dieser formelle Mangel sei beachtlich. Das sei dann der Fall, wenn die Beschlussfassung auf ihm beruhe. So liege es. Es stehe angesichts der Begleitumstände, der Bedeutung der Angelegenheit und des zeitlichen Zusammenhangs nicht mit Sicherheit fest, dass der Beschluss – wäre die Ladung rechtzeitig erfolgt – ebenso gefasst worden wäre.

Hinweis

Die Einberufungsfrist soll für jeden Beschlussgegenstand gemäß § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG grundsätzlich mindestens 2 Wochen betragen. Sie ist ab dem Tag zu berechnen, an dem das Einberufungsschreiben dem letzten der Einzuladenden zugeht. Wird, wie im Fall, ein weiterer Punkt auf die Tagesordnung aufgenommen, gilt die Einberufungsfrist auch für die Ergänzung. Im Einzelfall kann es das Rücksichtnahmegebot sogar gebieten, die Einberufungsfrist zu verlängern. Ist eine längere Einberufungsfrist vereinbart worden, ist der Verwalter ohne Weiteres daran gebunden. Durch den Verwaltervertrag kann die Einberufungsfrist nicht verlängert oder verkürzt werden.

Repetitorium: Formeller Beschlussmangel

Für die gerichtliche Prüfung eines formellen Beschlussmangels ist nach überwiegender Ansicht zu fragen, ob er sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat. Nach der Rechtsprechung gilt die "Vermutung" (der Erfahrungssatz), dass ein Beschluss auf einem formellen Mangel beruht. Von der Ursächlichkeit eines formellen Beschlussmangels ist daher so lange auszugehen, bis der Beweis des Gegenteils zweifelsfrei erbracht ist. Berufen sich die Wohnungseigentümer, die die Wirksamkeit eines Beschlusses verteidigen, darauf, dass nur ein formeller Beschlussmangel vorliege und dieser unbeachtlich sei, haben also sie diese Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Wenn in diesem Fall unter Anlegung eines strengen Maßstabs bei tatrichterlicher Würdigung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass der Beschluss bei ordnungsgemäßer Handhabung genauso gefasst worden wäre, bleibt eine Anfechtung wegen eines formellen Mangels erfolglos.

4.1 Entscheidung

AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 11.7.2019, 980b C 53/18

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