Leitsatz

  1. Grundsätzlich hat der Beurteilungsspielraum einer Gemeinschaft (durch Beschlussfassung) Vorrang vor einer Klageberechtigung eines einzelnen Eigentümers auf Abberufung des Verwalters
  2. Zum Streitwert einer Abberufungs-Verpflichtungsklage
 

Normenkette

§§ 21 Abs. 4 und 26 Abs. 1 Satz 3 und 4 WEG; § 49a Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG

 

Kommentar

  1. Ein einzelner Eigentümer hatte die restlichen Eigentümer erfolglos aufgefordert, der Einberufung einer außerordentlichen Versammlung zum Zweck vorzeitiger Abberufung der Verwaltung zuzustimmen. Er hatte vorgetragen, dass dieser Verwalter zum Teil erst nach 6 Wochen Beschlüsse in die Sammlung eingetragen habe, ohne i.Ü. zu vermerken, wann und von wem die Eintragungen vorgenommen worden seien und ohne die Einträge entsprechend fortlaufend zu nummerieren. Auch habe er weitere Pflichtverstöße begangen, so etwa nur unregelmäßige Begehungen der Anlage und auch schuldhaft verzögerte Beschlussdurchsetzung. In allen Instanzen wurde die Klage des Eigentümers abgewiesen.
  2. Selbst ein hier vorliegender wichtiger Abberufungsgrund insb. zur mangelhaften Beschluss-Sammlungsführung (vgl. die zwingende Gesetzesregelung in § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 5 WEG), muss nicht zwingend dazu führen, dass ein einzelner Eigentümer gegen den Willen der Mehrheit die Abberufung des Verwalters durch das Gericht erfolgreich erzwingen kann. Das Gericht hat hier – abwägend – einerseits eine ablehnende Entscheidung der Mehrheit zu respektieren und andererseits Minderheitenschutzrechte zu berücksichtigen. Im Vordergrund steht das Selbstorganisationsrecht der Eigentümer, sodass diesen auch ein entsprechender Beurteilungsspielraum zugebilligt werden muss.

    Die Eigentümermehrheit kann ungeachtet vorliegender wichtiger Abberufungsgründe durchaus nachvollziehbare Gründe dafür haben, von einer solchen Abberufung Abstand zu nehmen; dafür können die bisherigen Leistungen des Verwalters für eine Entscheidung zugunsten des Verwalters sprechen, ebenso das Vertrauen auf Besserung in der Zukunft.

    Ein solcher gemeinschaftlicher Beurteilungsspielraum ist allerdings überschritten, wenn die Ablehnung der Abberufung des Verwalters aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint; dann muss das Gericht u.U. auch im Interesse der Minderheit das Abberufungsbegehren bestätigen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Mehrheit gegen eigene Interessen handelt, weil sie – vielleicht aus Bequemlichkeit – massive Pflichtverletzungen toleriert; auch eine Majorisierung durch einen Mehrheitseigentümer kann Anlass für eine fehlerhafte Mehrheitsentscheidung der Gemeinschaft sein. In solchen Fällen hat das Gericht eine umfassende Würdigung aller Einzelfall-Umstände vorzunehmen.

  3. Vorliegend wurde die Entscheidung der Gemeinschaft auf Ablehnung der Abberufung in allen Instanzen als vertretbar angesehen. Beschlussführungsmängel hatten hier keine negativen Folgen und beruhten auf den Anfangsmängeln der verwendeten Sammlungs-Software. Zudem wurde die Pflicht zur Sammlungsführung erst 2007 in das WEG eingefügt (vgl. § 24 Abs. 7 WEG). Auch andere klägerseits angesprochene Pflichtverletzungsvorwürfe seien vorliegend nicht so gravierend gewesen, die sofortige Abberufung zu rechtfertigen, zumal insoweit das Vorbefassungsgebot der Eigentümerversammlung nicht berücksichtigt worden sei.
  4. Bei Festsetzung des Streitwerts einer auf Abberufung des Verwalters gerichteten Verpflichtungsklage ist im Regelfall das Gesamtinteresse nach dem in der restlichen Vertragslaufzeit anfallenden Verwalterhonorar und das Interesse des klagenden Eigentümers nach seinem Anteil hieran zu bemessen (§ 49a Abs. 1 Satz 1 GKG). Das Gesamtinteresse war hier mit 50 % des für die restliche Vertragslaufzeit anfallenden Honorars anzusetzen, wobei dieser Betrag nicht die Obergrenze des 5-fachen Interesses des Klägers an der Entscheidung überschritten hat. Für die Berechnung des Klägerinteresses war dessen Anteil am restlichen Verwalterhonorar nach bestehendem Kostenverteilungsschlüssel (im Zweifel also nach Miteigentumsanteilen) zu bestimmen. Dieser Klägeranteil kann verdoppelt oder gar verdreifacht werden.
Anmerkung

Ausgehend von den aktenkundig und wohl unstreitig vorgetragenen und bestehenden erheblichen Pflichtverletzungen des in diesem Verfahren beigeladenen Verwalters kann wohl ungeachtet des in den Vordergrund gestellten Beurteilungs- und Ermessensspielraums der Gemeinschaft auch aus objektiver Sicht von einer "sehr verwalterfreundlichen" Entscheidung in Senatsbestätigung der vorausgehenden Tatsacheninstanz-Urteile gesprochen werden. Verwalter sollten diese neuerliche Einzelfall-Rechtsprechung allerdings nicht überbewerten oder gar verallgemeinern.

Zunächst hat natürlich eine Gemeinschaft über eine sofortige Abberufung und auch fristlose Vertragskündigung zu entscheiden, wobei die Beschränkung einer Abberufung auf wichtige Gründe heute im Regelfall vereinbart bzw. verwaltervertraglich festgeschrieben ist; dies geschieht mit einfacher Mehrheit nach vereinbartem (bzw. gesetzlichem)...

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