Rz. 320

Die Annahme der Sittenwidrigkeit ist letztlich an drei Voraussetzungen geknüpft.

11.2.1.1.1 Krasse finanzielle Überforderung

 

Rz. 321

Die Wirksamkeit im Außenverhältnis kann insbesondere daran scheitern, dass der Bürge durch die Bürgschaft finanziell krass überfordert ist. Eine krasse finanzielle Überforderung liegt nach dem BGH[401] vor, wenn eine auf den Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung abstellende, die Ausbildung, Fähigkeiten und familiären Belastungen berücksichtigende Prognose ergibt, dass der Bürge allein voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, auf Dauer die laufenden Zinsen der gesicherten Forderung mit Hilfe des pfändbaren Teils seines Einkommens und Vermögens aufzubringen. Diese Vermutung kann der Gläubiger nicht nur durch den Nachweis seiner Unkenntnis der krassen finanziellen Überforderung oder der emotionalen Verbundenheit, sondern auch durch den Nachweis eines eigenen persönlichen oder wirtschaftlichen Interesses des Bürgen an der Kreditaufnahme ausräumen. Ist die Überforderung nicht als krass anzusehen, kann die Bürgschaft dennoch sittenwidrig sein, wenn weitere Umstände, wie z. B. Irreführung, Verharmlosung oder Verschleierung des Risikos oder Ausübung von unzulässigem Druck hinzutreten.[402]

[401] BGH, Urteil v. 25.4.2006, XI ZR 330/05, FamRZ 2006, 1024.

11.2.1.1.2 Enge emotionale Verbundenheit

 

Rz. 322

Ferner ist Voraussetzung, dass der Mithaftende sich aufgrund seiner engen emotionalen Verbundenheit zum Darlehensnehmer auf die Mitverpflichtung eingelassen und die Bank dies in verwerflicher Art und Weise ausgenutzt hat.[403] Dies wird bei einer krassen finanziellen Überforderung des mithaftenden Ehegatten widerleglich vermutet.[404] Die Vermutung gilt als widerlegt, wenn der Mithaftende eigene, ins Gewicht fallende, geldwerte unmittelbare Vorteile aus der Kreditaufnahme erlangt.[405] Dies ist jedoch nicht bereits bei rein mittelbaren Vorteilen (z. B. Verbesserung der Wohnverhältnisse oder höherer Unterhalt) für den Mithaftenden aus der Bürgschaft der Fall.[406] Ausreichend ist auch nicht die geplante Mitarbeit des Mithaftenden in dem kreditfinanzierten Unternehmen oder seine nur geplante Beteiligung an dem Unternehmen.

11.2.1.1.3 Kenntnis oder Kennenmüssen

 

Rz. 323

Darüber hinaus muss die Bank Kenntnis oder Kennenmüssen vom Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung und der emotionalen Verbundenheit haben. Dies ist angesichts der banküblichen Gepflogenheit, die geforderten Sicherheiten auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen, im Regelfall anzunehmen.[407]

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