Leitsatz

Der EuGH hat dem Grunde nach bestätigt, dass ein Mitgliedstaat die Verluste, die eine Tochtergesellschaft im Ausland erzielt, nicht zwingend zum Abzug vom steuerpflichtigen Gewinn der inländischen Muttergesellschaft zulassen muss. Dies verstößt aber dann gegen die Art. 43 und 48 EG, wenn auch die ausländische Tochtergesellschaft diese Verluste im Ausland steuerlich nicht zum Abzug bringen kann.

 

Sachverhalt

Der Konzern Marks & Spencer Plc. hatte Klage dagegen erhoben, dass nach dem britischen Steuerrecht die Verluste der in Belgien, Deutschland und in Frankreich ansässigen Tochtergesellschaften nicht vom steuerpflichtigen Gewinn im Vereinigten Königreich abgezogen werden können. Der EuGH hat wie folgt entschieden:

  • Es liegt kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 43 und 48 EG vor, wenn ein Mitgliedstaat einer inländischen Muttergesellschaft den Abzug der Verluste von ausländischen Tochtergesellschaften vom inländischen steuerpflichtigen Gewinn verwehrt, obwohl Verluste inländischer Tochtergesellschaft abgezogen werden können.
  • Eine derartige Beschränkung ist aber unzulässig, wenn sie kein berechtigtes und mit dem EG-Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt bzw. nicht zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entspricht oder nicht geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob die beschränkende Maßnahme nicht über das Erforderliche hinausgeht. Dies ist der Fall, wenn auch weniger belastende Maßnahmen als der generelle Ausschluss der Verlustverrechnung in Frage kämen.

Danach kann es gerechtfertigt sein, dass der Verlustabzug davon abhängig ist, dass die ausländische Tochtergesellschaft sämtliche bestehenden Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten, wie z.B. Verlustvortrag oder -rücktrag, Verlustübertragung etc., im Ausland ausgeschöpft hat. Außerdem kann der Abzug davon abhängig gemacht werden, dass spätere Gewinne der Tochtergesellschaft in Höhe der vorher verrechneten Verluste zu den steuerpflichtigen Gewinnen der Gesellschaft gehören. Sind diese Möglichkeiten nicht gegeben oder ausgeschöpft, verstößt es gegen die Art. 43 EG und 48 EG, wenn der Abzug der verbleibenden ausländischen Verluste vom steuerpflichtigen Gewinn versagt wird.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist glimpflicher ausgefallen, als die Finanzminister befürchtet hatten. Dennoch wird deutlich, dass das nationale Steuerrecht im Einklang mit internationalen, insbesondere EU-rechtlichen Regelungen stehen muss. Bestehen keine objektiven, relevanten Kriterien, nach denen eine Regelung nur für inländische Steuerpflichtige gilt, kann darin eine unzulässige Ungleichbehandlung zu sehen sein. Der EuGH betont ausdrücklich, dass ein drohender Steuerausfall für sich allein kein Rechtfertigungsgrund ist (so bereits im Urteil v. 7.9.2004, C-319/02, Manninen unter Randnr. 49).

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 13.12.2005, C-446/03.

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