Leitsatz

Bei der Regelung Nr. 6.1.5 AVB Werkverkehr, wonach Schäden durch nicht verkehrssicheren Zustand der Fahrzeuge von der Haftung ausgeschlossen sind, handelt es sich nicht um einen objektiven Risikoausschluss, sondern um eine verhüllte Obliegenheit.

 

Normenkette

Nr. 6.1.5 AVB Werkverkehr, § 6 Abs. 2 VVG

 

Sachverhalt

Die Parteien stritten über Ansprüche aus einer Versicherung für den Werkverkehr, die die Bekl. bei der Kl. genommen hatte.

Am 23.1.1995 transportierte die Bekl. einen Bagger. Sie benutzte dazu eine Zugmaschine und einen Tieflader. Bei einem Bremsmanöver kam dieses Gefährt von der Fahrbahn ab. Der Bagger wurde beschädigt. Die Kl. zahlte unter Vorbehalt ihrer Leistungspflicht 50.000 DM an die Bekl. Diesen Betrag forderte sie mit der Begründung zurück, sie sei nach Nr. 6.1.5 AVB Werkverkehr leistungsfrei, weil sich das Fahrzeug in einem nicht verkehrssicheren Zustand befunden habe.

Der Bekl. waren für die Reparatur und den Transport des Baggers zur Werkstatt insgesamt 74.225,39 DM Kosten entstanden. Widerklagend verlangt sie Zahlung von 24.225,39 DM. Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage zurückgewiesen. Das Berufungsgericht (BG) hat die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Deren Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Entscheidung

1. Wie der BGH ausführt, gehe das BG - offenbar als selbstverständlich - davon aus, dass es sich bei der Klausel Nr. 6.1.5 AVB Werkverkehr um einen objektiven Risikoausschluss handele. Demgegenüber sei die Revision der Auffassung, diese Regelung habe eine verhüllte Obliegenheit zum Gegenstand. Die Revision - so der BGH - habe Recht.

a) Die Klausel laute auszugsweise:

6. Ausschluss und Beschränkung der Haftung

6.1 Ausgeschlossen von der Haftung sind folgende Gefahren und Schäden …

6.1.5 …durch nicht verkehrssicheren Zustand oder Überladung der Fahrzeuge …

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats komme es bei der Unterscheidung zwischen einer Obliegenheit und einer Risikobegrenzung nicht nur auf Wortlaut und Stellung einer Versicherungsklausel an. Entscheidend sei vielmehr der materielle Gehalt der einzelnen Klauseln. Es komme darauf an, ob die Klausel eine individualisierende Beschreibung eines bestimmten Wagnisses enthalte, für das der Versicherer Versicherungsschutz gewähren wolle, oder ob sie in erster Linie ein bestimmtes Verhalten des VN fordere, von dem es abhänge, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behalte oder ob er ihn verliere. Werde von vornherein nur ausschnittsweise Deckung gewährt und nicht ein gegebener Versicherungsschutz wegen nachlässigen Verhaltens wieder entzogen, so handele es sich um eine Risikobegrenzung.

Der Wortlaut der Überschrift und dass "Schäden durch nicht verkehrssicheren Zustand der Fahrzeuge von der Haftung ausgeschlossen" seien, möge zunächst für einen objektiven Risikoausschluss sprechen. Der Schutz des § 6 VVG, der für die Leistungsfreiheit des Versicherers ein Verschulden voraussetze, könne dem VN aber nicht dadurch entzogen werden, dass Obliegenheiten in den AVB so verhüllt werden, dass sie nicht als Verhaltensvorschriften, sondern als Risikobeschreibungen erscheinen. Deshalb sei durch Auslegung zu ermitteln, ob der Versicherer von dem generell übernommenen Risiko einen genauer bezeichneten Teil herausnehmen wolle oder ob der VN durch ein bestimmtes Verhalten veranlasst werden solle, zur Verminderung des Risikos beizutragen, anderenfalls er seinen Versicherungsschutz verliere.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats seien AVB so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen müsse. Dabei komme es auf die Verständnismöglichkeit eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf sein Interesse an. Ein durchschnittlicher VN des Adressatenkreises der Versicherungsbedingungen für den Werkverkehr erkenne, das er sein Fahrzeug in einem verkehrssicheren Zustand halte müsse, wenn er den Versicherungsschutz nicht verlieren wolle. Aus seiner Sicht gehe es darum, dass der Versicherer von vornherein einen näher bezeichneten Teil des übernommenen Risikos aus dem Deckungsschutz herausnehmen möchte. Der einmal zugesagte Deckungsschutz solle voll unter der Voraussetzung erhalten bleiben, dass der VN für einen verkehrssicheren Zustand des Fahrzeugs sorge …

Damit werde aus der Sicht eines durchschnittlichen VN des hier beteiligten Adressatenkreises ein bestimmtes vorbeugendes, Gefahr minderndes Verhalten gefordert, von dem es abhängen solle, ob er einen zugesagten Versicherungsschutz behalte oder ob er ihn verliere. Ein Fuhrunternehmen oder Spediteur werde die Klausel nicht dahin verstehen, dass er den Versicherungsschutz auch dann schon verliere, wenn das Fahrzeug ohne sein Verschulden und vielleicht ohne seine Kenntnis in einen verkehrsunsicheren Zustand geraten sei.

Damit erweise sich die Klausel Nr. 6.1.5 AVB Werkverkehr als eine verhüllte Obliegenheit und nicht, wovon das BG ausgega...

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