Leitsatz

Bei der Umsatzsteuerhinterziehung bilden die Umsatzsteuervoranmeldungen eines Jahres und die anschließende Umsatzsteuerjahreserklärung des nämlichen Jahres eine einheitliche Tat im Sinne des § 264 StPO.

 

Sachverhalt

Die Angeklagte und ihr damaliger Lebensgefährte betrieben ab 1985 eine Cafeteria in einer Universitätsklinik. Beide ließen bis 1993 jährliche Bilanzen für das angebliche Einzelunternehmen über ihren Steuerberater erstellen, die – zusammen mit den Buchhaltungsunterlagen – Grundlage der Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuererklärungen des Lebensgefährten waren. Für die Jahre 1994 und 1995 wurden keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben. Es erfolgten lediglich bis Dezember 1995 monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen. Die Angeklagte hatte über Jahre hinweg durch manipulative Stornobuchungen und nichtverbuchte Bareinnahmen wesentliche Umsätze des Unternehmens verschleiert. Hierdurch bewirkte sie zwischen 1989 und 1995 eine Verkürzung der an sich festzusetzenden Steuern in einer vom LG geschätzten Gesamtgrößenordnung von über 800000 DM. Bei einer Betriebsprüfung wurden die Taten entdeckt. Das folgende Steuerstrafverfahren führte unter anderem zu einer Anklage wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtabgabe einer Jahreserklärung 1995. Das LG stellte für die Verurteilung aber auf die unrichtigen Voranmeldungen ab. Der BGH billigte diese Entscheidung. Er sieht in den Handlungen eine einheitliche Tat.

 

Entscheidung

Der BGH hat das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldungen eines Jahres und der für das nämliche Jahr abzugebenden Umsatzsteuerjahreserklärung bisher ausdrücklich nur unter dem Gesichtspunkt der materiell-rechtlichen Konkurrenz beurteilt. Insoweit besteht Tatmehrheit[1], weil den jeweiligen Taten ungeachtet ihrer steuerrechtlichen Verzahnung ein selbständiger Unrechtsgehalt zukommt[2]. Die Frage, ob die Umsatzsteuervoranmeldungen eines Jahres und die anschließende Umsatzsteuerjahreserklärung eine einheitliche prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO bilden, ist bislang nicht entschieden worden.

Mehrere rechtlich selbständige Handlungen bilden nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrundeliegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden wird[3].

Die aus dem materiellen Steuerrecht folgenden engen Verzahnungen zwischen beiden Erklärungsarten führen dazu, dass Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärung eines Jahres hinsichtlich ihrer strafrechtlichen Bedeutung innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einzelnen Taten nur in der Zusammenschau richtig gewürdigt werden kann. Eine getrennte Würdigung und Aburteilung erscheint als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen, von den Besonderheiten des materiellen Umsatzsteuerrechts geprägten Lebensvorgangs. Steueranmeldungen und Jahreserklärung beziehen sich auf dieselbe Steuerart und dasselbe Steueraufkommen eines jeweiligen Jahres. Auch die Umsatzsteuer ist letztlich eine Jahressteuer[4]. Die Voranmeldungen dienen nur der zeitnahen Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer; auf der Grundlage der Anmeldungen wird die Steuer als Vorauszahlung vom Steuerpflichtigen berechnet oder vom Finanzamt festgesetzt. Die Selbstanzeige bezüglich einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung führt gleichermaßen zur Strafbefreiung in bezug auf falsche Voranmeldungen[5]. Der prozessualen Tatidentität stehen auch die gelegentlich langen Zeiträume zwischen der Abgabe der Voranmeldungen und der Jahreserklärung nicht entgegen. Denn die Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt, das regelmäßig von vornherein auf die Verkürzung eines bestimmten Steueranspruchs gerichtet ist, ohne dass bei Abgabe der Jahreserklärung ein neuer Tatentschluss nötig wäre.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 24.11.2004, 5 StR 206/04

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