Leitsatz

Beantragt ein Wohnungseigentümer, dass ihm die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Zahlung zu leisten habe, kann in der Beschlussfassung ein Vergleich zu sehen sein

 

Normenkette

§ 779 BGB; §§ 260, 263 ZPO

 

Kommentar

Das Problem

  1. In K's Sondereigentum wird im Januar 2009 als Folge eines Feuchtigkeitsschadens ein Befall mit giftigen Schimmelpilzen festgestellt, der die Wohnung für einen Zeitraum von 20 Monaten unbewohnbar macht. Nachdem K Schadensersatz bzw. Zahlung einer Entschädigung gemäß § 14 Nr. 4 WEG von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangt hatte, beschließen die Wohnungseigentümer in der Versammlung vom 21.7.2010 wie folgt (dieser Beschluss ist bestandskräftig):

    "Der Versammlungsleiter stellt den Antrag, der K pauschal 3.000 EUR von den verlangten 5.710,50 EUR zu erstatten, und die Option einzuräumen, sofern die Gemeinschaft bei einer Schadensersatzklage gegen den Vorverwalter oder den Architekten rechtswirksam ihren Anspruch durchsetzen können, die restlichen Kosten inklusive der entgangenen Mieten einschließlich bis August 2010."

  2. K verlangt nun von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Zahlung in Höhe von 8.900,96 EUR nebst Zinsen aufgrund der ihr entstandenen Schäden. In den Vorinstanzen bleibt die Klage ohne Erfolg.
  3. Das Landgericht Dortmund meint, K habe in der Versammlung ein Angebot auf Abschluss eines Vergleichs abgegeben.

    § 779 BGB (Begriff des Vergleichs, Irrtum über die Vergleichsgrundlage)

    (1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

    (2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

Sie habe sich den Vorschlag ihres Schwiegersohns, der zu der Beschlussfassung geführt habe, zu Eigen gemacht und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer damit ein Vergleichsangebot unterbreitet. Diese habe das Angebot durch die Beschlussfassung angenommen. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch bestehe daher nicht, weil K's Schadensersatzforderungen durch den Vergleichsabschluss erledigt seien. Die danach vereinbarte Zahlung von 3.000 EUR, auf die sich die K in der mündlichen Verhandlung gestützt habe, sei nicht Gegenstand der Klage, weil der Vergleich einen neuen Klagegrund schaffe. Mit der Revision verfolgt K ihren Zahlungsantrag weiter.

Die Entscheidung

  1. Die Revision hat teilweise Erfolg. Die Annahme, K und die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hätten einen Vergleich geschlossen, halte allerdings der eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand. K berufe sich zu Unrecht darauf, keine Partei habe vorgetragen, dass sie, K, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vor der Beschlussfassung einen Antrag auf Abschluss des Vergleichs gemacht habe. Denn das Landgericht habe den vom Amtsgericht im Rahmen der Beweisaufnahme festgestellten tatsächlichen Sachverhalt rechtlich gewürdigt; insoweit sei es nicht an die Einschätzung der Parteien gebunden gewesen. Das Landgericht habe auch nicht verkannt, dass ein schlichter Antrag eines Wohnungseigentümers auf Beschlussfassung in der Regel keinen rechtsgeschäftlichen Charakter hat. Vielmehr sei es im Rahmen der einzelfallbezogenen tatrichterlichen Würdigung nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass K's Verhalten (bzw. das ihres Schwiegersohns, dessen Äußerungen sie sich zu Eigen gemacht habe) in der der Beschlussfassung vorangehenden Diskussion aus Empfängersicht als rechtlich bindender Antrag zu verstehen gewesen war. Ebenso wenig sei es zu beanstanden, dass das Landgericht die Beschlussfassung rechtlich zugleich als (stillschweigende) Annahme des Angebots angesehen habe. Die Annahmeerklärung sei auch nicht gemäß § 181 BGB unwirksam, weil die K an der Beschlussfassung mitgewirkt habe. Das folge schon daraus, dass K's Vertragspartnerin nicht sie selbst, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei. Ob K an deren vorangehender interner Willensbildung mitwirken durfte, sei in diesem Zusammenhang unerheblich.
  2. Im Ergebnis zu Unrecht habe das Landgericht dagegen den Zahlungsantrag in Höhe der im Vergleichswege vereinbarten Summe von 3.000 EUR abgewiesen. Zwar stellten die auf dem Vergleich beruhende Zahlungspflicht und die ursprüngliche Schadensersatz- bzw. Entschädigungsforderung unterschiedliche Streitgegenstände dar. Das Landgericht habe jedoch nicht erkannt, dass K ihre Klage in zulässiger Weise um einen Hilfsantrag erweitert habe. K habe eine nachträgliche Klagehäufung in Eventualstellung vorgenommen, indem sie sich in der mündlichen Verhandlung hilfsweise auf die in dem Vergleich vereinbarte Zahlungspflicht berufen habe; denn sie habe damit erklärt, für den Fall einer Abweisung des Hauptantrags eine Titulierung der im Vergleichswege vereinbarten...

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