Leitsatz

Mit dem Inkrafttreten des FamFG wurden die Verfahren betreffend einstweiliger Anordnungen in Familiensachen unabhängig vom Hauptsacheverfahren bestimmt. Dies hat zur Folge, dass das Verfahren zur einstweiligen Anordnung auch dann ein selbständiges Verfahren darstellt, wenn eine Hauptsache anhängig ist. Es stellt sich daher die Frage, ob für den Hauptsacheantrag des Antragstellers noch ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn er bereits über den gleichen Regelungsgegenstand eine einstweilige Anordnung erwirkt hat.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren seit dem 19.9.2008 miteinander verheiratet und Eltern des am 23.4.2004 geborenen Kindes D. Ferner erwartete die Antragstellerin von dem Antragsgegner ein weiteres Kind.

Zwischen den Eheleuten war es in der Vergangenheit wiederholt zu Auseinandersetzungen gekommen, anlässlich derer der Antragsgegner ggü. der Antragstellerin gewalttätig geworden war. Im September 2009 kam es zu einem erneuten Vorfall, in dessen Verlauf er in alkoholisiertem Zustand die Antragstellerin würgte, auf sie einschlug und sie schließlich im Schlafzimmer der gemeinsamen Ehewohnung einschloss. Die Antragstellerin beantragte daraufhin beim FamG im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner aufzugeben, die gemeinsame Wohnung zu räumen und ihr für die Dauer von 3 Monaten zur alleinigen Nutzung zu überlassen sowie es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln für die Dauer von 3 Monaten zu unterlassen, die gemeinsame Wohnung zu betreten und sich in einem Umkreis von 500 m von der Wohnung aufzuhalten. Mit weiterem Schriftsatz gleichen Datum stellte die Antragstellerin gleichlautende Anträge zum Hauptsacheverfahren, jedoch ohne die Befristung auf 3 Monate. Im Übrigen beantragte sie hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

Das AG hat die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 22.10.2009 erlassen. Den Verfahrenskostenhilfeantrag für das Hauptsacheverfahren hat es mit Beschluss gleichen Datum zurückgewiesen und zur Begründung aufgeführt, dass neben der erlassenen einstweiligen Anordnung für die gleichzeitige Beantragung eines Hauptsacheverfahrens kein Raum sei, da die einstweilige Anordnung auch eine dauerhafte Entscheidung sein könne, wenn der Antragsgegner nicht das Hauptsacheverfahren einleite.

Gegen diese Entscheidung richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Das FamG hat diesem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Dort war das Rechtsmittel der Antragstellerin erfolgreich.

 

Entscheidung

Zwar sei in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die vom Prozesskostenhilfebedürftigen beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig sei, wenn der mit ihr angestrebte Erfolg in gleichem Umfang auch auf andere und kostengünstigere Weise erreicht werden könne oder hätte erreicht werden können (Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 114 Rz. 34 m.w.N.). Insoweit könne vorliegend dahinstehen, ob sich nach der seit dem 1.9.2009 geltenden Neuregelung des einstweiligen Anordnungsverfahrens für den Antragsteller in bestimmten Fällen mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine gleichermaßen weitreichende Regelung erreichen lasse wie in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren. Für die hier in Rede stehende einstweilige Anordnung nach § 214 FamFG i.V.m. §§ 1 und 2 GewSchG sei dies nicht der Fall.

Bereits nach dem Wortlaut des § 214 Abs. 1 FamFG könne das FamG auf Antrag eines Ehegatten durch einstweilige Anordnung nur eine "vorläufige" Regelung treffen, sofern ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden bestehe. Von einer "vorläufigen" Regelung könne aber nur dann gesprochen werden, wenn diese von ihrem Regelungsinhalt her hinter der im Hauptsacheverfahren möglichen Regelung zurückbleibe.

Es sei nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin ihren Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zunächst auf die Dauer von 3 Monaten beschränkt habe, zumal sie davon habe ausgehen können, dass das AG die einstweilige Anordnung auf etwa diesem Zeitraum beschränken werde. Von daher sei die Antragstellerin schon zur Vermeidung einer teilweisen Zurückweisung ihres Anordnungsantrages und einer damit einhergehenden teilweisen Auferlegung der Verfahrenskosten gehalten gewesen, nur einen auf diesen Zeitraum beschränkten Anordnungsantrag zu stellen und wegen der von ihr angestrebten weitereichenden Regelung das Hauptsacheverfahren zu betreiben.

 

Hinweis

Die der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegende Fallgestaltung ist erst durch die Neuregelung des FamFG zum 1.9.2009 entstanden. Nach altem Recht war die einstweilige Anordnung nur zulässig, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anhängig war. Die Frage nach einem Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren nach ergangener einstweiliger Anordnung stellte sich daher nicht.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 09.12.2009, 10 WF 274/09

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