Rz. 347

Wirtschaftlich bedürftig ist eine Person, deren Bezüge nicht höher als das Vierfache, beim Alleinstehenden und Haushaltsvorstand das Fünffache des Sozialhilfe-Regelsatzes sind (§ 53 Nr. 2 Satz 1 AO).[445] Nicht bedürftig sind Personen, deren Vermögen zur nachhaltigen Verbesserung ihres Unterhalts ausreicht und denen zugemutet werden kann, es dafür zu verwenden (§ 53 Nr. 2 Satz 2 AO). Als ausreichend wird ein Vermögen angesehen, wenn dessen gemeiner Wert (Verkehrswert) mehr als 15.500 EUR beträgt, wobei Hausrat, Erinnerungsstücke, ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII sowie Gegenstände, die verschleudert werden müssten, außer Betracht bleiben.[446]

 

Rz. 348

Wirtschaftlich bedürftig ist auch eine Person, deren wirtschaftliche Lage aus besonderen Gründen zu einer Notlage geworden ist. Besondere Gründe in diesem Sinne sind z. B. Naturkatastrophen wie das Erd- und Seebeben in Japan im März 2011[447] oder lange Krankheit. Die Verwendung von Mitteln für die Linderung von Naturkatastrophen hat die Finanzverwaltung in der Vergangenheit mehrfach durch die Verfügung einer Beweiserleichterung als Förderung mildtätiger Zwecke erleichtert (z. B. für die Opfer des Erd- und Seebebens in Japan für den Zeitraum vom 11.3.2011 bis 31.12.2011).[448] Die Höhe der Bezüge bzw. des Vermögens der geförderten Person ist in diesen Fällen unbeachtlich, auch wenn sie die Grenzen der allgemeinen wirtschaftlichen Bedürftigkeit übersteigt (§ 53 Nr. 2 Satz 3 AO).

 
Praxis-Beispiel

Vermietung von Wohnraum

Vermietet eine Stiftung Wohnraum z. B. an Personen, die aufgrund besonderer sozialer Probleme ansonsten nur mit Schwierigkeiten Wohnmietraum auf dem regulären Markt erhalten würden, wie Strafentlassene, Obdachlose, Behinderte, kinderreiche Familien usw., ist die Erhebung einer Miete, die der Kostenmiete entspricht, d. h. unter Berücksichtigung der Kostenaufwendungen und Abschreibungen ohne Gewinnaufschlag, kein Verstoß gegen die Voraussetzungen der Mildtätigkeit. Eine "nachrangige" Vermietung eines Teils der Wohnungen an nicht begünstigte Personen ist unschädlich. Dabei muss die Miete jedoch marktüblich sein, da es sich insoweit um Vermögensverwaltung der Körperschaft und nicht um Zweckverfolgung handelt.[449]

 

Rz. 349

Für Leistungen bis zum 31.12.2012 hat die Finanzverwaltung die Anforderungen an die Nachweispflicht für eine wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit der unterstützten Personen im Anwendungserlass definiert.[450] Die Stiftung musste mit Hilfe ihrer Unterlagen nachweisen können, dass die Höhe der Einkünfte und Bezüge sowie das Vermögen der unterstützten Person nicht die Grenzen des § 53 Nr. 2 AO übersteigen. Eine Erklärung, in der von der unterstützten Person nur das Unterschreiten der Grenzen des § 53 Nr. 2 AO mitgeteilt wird, reichte nicht aus. Vielmehr war stets eine Berechnung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge beizufügen. Als Nachweis akzeptierte die Finanzverwaltung auch einen Leistungsbescheid nach SGB II oder SGB XII.[451] Bei Schülern und Studenten wird die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit unterstellt.[452]

 

Rz. 350

 
Hinweis

Neue Rechtslage seit 1.1.2013

Bedürftigkeits-Nachweis bei Tafeln oder Obdachlosenhilfe

Mit Wirkung zum 1.1.2013 hat der Gesetzgeber diese Nachweispflichten gesetzlich kodifiziert und konkretisiert: Danach ist die wirtschaftliche Notlage u. a. bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII und nach § 27a des Bundesversorgungsgesetzes als nachgewiesen anzusehen. Die Körperschaft führt den Nachweis mit Hilfe des jeweiligen für den Unterstützungszeitraum maßgeblichen Leistungsbescheids oder der Bestätigung des Sozialversicherungsträgers (§ 53 Nr. 2 Satz 6 und Satz 7 AO n. F.)

Schwierig ist die Erbringung der erforderlichen Nachweise bei Einrichtungen wie den Tafeln oder der Obdachlosenhilfe. Seit 1.1.2013 kann die Finanzverwaltung auf den Nachweis der Hilfsbedürftigkeit verzichten, wenn auf Grund der besonderen Art der gewährten Unterstützungsleistung sichergestellt ist, dass nur wirtschaftlich hilfsbedürftige Personen unterstützt werden (vgl. § 53 Nr. 2 Satz 8 AO n. F.). Diese neue Regelung stellt eine erhebliche Vereinfachung für die betroffenen Organisationen dar.

[445] AEAO Nr. 5 zu § 53 AO. Der Regelsatz wird gem. § 28 SGB XII durch Rechtsverordnung der jeweiligen Bundesländer jährlich neu festgesetzt. Seit dem 1.1.2011 beträgt der sogenannte Eckregelsatz für Haushaltsvorstände und Alleinstehende 364 EUR im Monat (Regelbedarfsstufe 1), für zwei Erwachsene, die gemeinsam einen Haushalt führen 328 EUR (Regelbedarfsstufe 2). Fraglich ist derzeit, ob das Fünffache nur bei Alleinstehenden und Alleinerziehenden angesetzt werden darf, bei denen man von erhöhten Einmalkosten wie Miete, Telefon etc. ausgeht, oder ob diese erhöhten Kosten wenigstens einmal bei einer Person angesetzt werden dürfen, die in Regelbedarfsstufe 2 fällt.

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