Leitsatz

Der EuGH hat der unkontrollierten Verbreitung gentechnisch verunreinigter Lebensmittel einen weiteren Riegel vorgeschoben. Lebensmittel dürfen, wenn sie gentechnisch veränderte Bestandteile auch nur in Kleinstmengen enthalten, nicht ohne besondere Zulassung im Lebensmittelregal stehen.

 

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Imker aus Augsburg. In dem Honig seiner Bienen hatte er geringe Pollenmengen des gentechnisch veränderten Tierfuttermaises vom Typ MON 810 entdeckt. Darauf vernichtete er die gesamte "Honigernte" in der Müllverbrennung. Die Pollenspuren stammten von einem dem Freistaat Bayern gehörenden Versuchsfeld, das rund 2 km von seinen Bienenstöcken im schwäbischen Crailsheim entfernt lag. Er verklagte Bayern auf Schadensersatz und bekam vom EuGH in vollem Umfang Recht.

Mit seinem Urteil hat der EuGH die Lebensmittelbranche überrascht. Dort hoffte man auf eine gewisse Toleranz bei verschwindend geringen Genspuren. es besteht nun "Null-Toleranz" gegenüber gentechnisch verunreinigten Lebensmitteln. Für die Lebensmittelbranche hat das Urteil weitreichende Folgen. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium schätzt, dass 30 % des in der EU erzeugten Honigs betroffen sind, der außerhalb der EU erzeugte Honig sogar komplett. Letzterer macht rund 50 % des Angebots aus. Das Urteil dürfte für Verunsicherung in der Landwirtschaft sorgen. Wer gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, muss u.U. mit Schadensersatzforderungen von Nachbarn rechnen. Umstritten ist allerdings, ob das Urteil nur Wirkung für Verunreinigungen mit Pollen von nicht als Lebensmittel zugelassenen Pflanzen hat. Nicht geklärt ist insbesondere, ob die Zulassung einer gentechnisch veränderten Pflanze als Lebensmittel auch deren Pollen mit umfasst. Nur wenn dies zuträfe, könnten diejenigen Landwirte aufatmen, die zur Lebensmittelproduktion zugelassene Gentech-Pflanzen anbauen. Geklärt ist hingegen, dass Versicherungen für solche Verunreinigungsschäden bisher nicht aufkommen, weshalb der Deutsche Bauernverband seinen Mitgliedern wegen der erheblichen finanziellen Risiken vom Anbau von Gentech-Pflanzen ganz abrät.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 06.09.2011, C-442/09.

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