Leitsatz

  • Feststellungsantrag in Richtung Unwirksamkeit eines tatsächlich nicht zustande gekommenen Beschlusses binnen Monatsfrist stellen

    Stimmrechtsbeschränkender Mehrheitsbeschluss hat nur eingeschränkte Bindungswirkung auf Sondernachfolger

 

Normenkette

§ 10 Abs. 3 WEG, § 23 Abs. 4 S. 2 WEG, § 25 Abs. 5 WEG

 

Kommentar

1. Geht es bei einem Feststellungsantrag darum, ob in einer Versammlung überhaupt Mehrheitsbeschlüsse zu bestimmten Tagesordnungspunkten zustande gekommen sind, hilfsweise um die Aufhebung der Beschlüsse, so muss auch ein solcher Antrag mit dem Begehren, gerichtlich feststellen zu lassen, dass ein Eigentümerbeschluss entgegen einem verkündeten Ergebnis infolge falscher Stimmenauszählung nicht zustande gekommen sei, innerhalb der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG gestellt werden (zweifelnd insoweit BayObLG, NJW-RR 1990, 210). Dabei könne offenbleiben, ob einer unangefochtenen Feststellung des Versammlungsleiters hinsichtlich zustande gekommener Mehrheitsbeschlüsse eine konstitutive Wirkung zukommen würde; entscheidend sei allein, ob die Stimmen in der Versammlung richtig gezählt worden seien. Die Interessenlage sei zumindest in dem Fall, dass nach verkündetem und protokolliertem Ergebnis ein Eigentümerbeschluss zustande gekommen sein solle, vergleichbar mit der Situation, dass die Ungültigkeit eines Beschlusses aus formellen oder materiellen Gründen geltend gemacht werde.

Die Rechtssicherheit gebiete auch hier, dass über das Bestehen oder Nichtbestehen von Beschlüssen alsbald Klarheit geschaffen werde. Ohne Anerkennung der Geltung der Anfechtungsfrist könnten noch auf unabsehbare Zeit gerichtliche Feststellungsverfahren eingeleitet werden, wobei dann die Aufklärungsmöglichkeiten schlechter würden und sich überdies Eigentümer inzwischen auf die protokollierte Beschlusslage eingestellt haben dürften, sodass dann wiederum Fragen des Vertrauensschutzes eine Rolle spielen könnten. Es mag zwar sein, dass die 1-monatige Anfechtungsfrist für Feststellungsanträge dann nicht gelte, wenn es lediglich um die Bedeutung und Auslegung eines Eigentümerbeschlusses gehe; anders sei es jedoch, wenn ein bestimmtes Abstimmungsergebnis von einem Versammlungsleiter verkündet und protokolliert worden sei. Selbst wenn der Verkündung und Aufnahme eines solchen Beschlusses in das Protokoll keine konstitutive Bedeutung zukomme, sei doch damit ein Rechtsschein geschaffen, der auf die Dauer der Zeit immer stärker wirke, weil die Erinnerung an den Ablauf der Versammlung und die Abstimmungen schwächer und ungenauer würden. Die gesetzlich vorgesehene Anfechtungsfrist schaffe den gerechten Interessenausgleich zwischen dem sich verfestigenden Bestandsschutz des verkündeten und protokollierten Ergebnisses und den Möglichkeiten einer gerichtlichen Überprüfung dieser Beschlüsse in formeller und materieller Hinsicht. Vorliegend sei jedenfalls die Monatsfrist für den gestellten Feststellungsantrag gewahrt worden.

2. In dieser Gemeinschaft war bestandskräftig beschlossen worden, dass Eigentümer mit Wohngeldrückständen an Abstimmungen gehindert seien. Auch wenn über § 25 Abs. 5 WEG hinaus in bestimmten Fällen Stimmrechtsbeschränkungen durch Vereinbarung aller Eigentümer statuiert werden könnten und auch unangefochtene Mehrheitsbeschlüsse über solche Stimmrechtsbeschränkungen etwa anzuerkennen wären, endet die Wirksamkeit eines solchen Mehrheitsbeschlusses jedenfalls dann, wenn neue Eigentümer in die Gemeinschaft einträten. Wenn also schon gem. § 10 Abs. 2 WEG Vereinbarungen der Eigentümer gegen den Sondernachfolger nur dann Geltung besäßen, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen seien, könne selbst für unangefochtene Mehrheitsbeschlüsse [sog. Zitterbeschlüsse] nichts anderes gelten; diese könnten nicht weiterwirken als Vereinbarungen, durch die die Eigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von § 25 Abs. 5 WEG geregelt hätten; andernfalls wäre ein später eintretender Sondernachfolger unangemessen benachteiligt, wenn er mit der weiteren Wirksamkeit derartiger Mehrheitsbeschlüsse immer rechnen und sich diese entgegenhalten lassen müsste. Selbst wenn man also eine Rechtsmacht der Eigentümer zur Einführung weiterer Stimmrechtsbeschränkungen auf dem Beschlusswege anerkennen wollte, würde sich dies nicht über den Kreis der Eigentümer hinaus auswirken, der im Zeitpunkt des unangefochten gebliebenen Mehrheitsbeschlusses bestanden habe.

 

Link zur Entscheidung

( KG Berlin, Beschluss vom 06.06.1990, 24 W 1227/90= NJW-RR 4/91, 213 = WE 6/90, 207 = MDR 90, 925)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

Anmerkung:

1. Dass bei fälschlicher Stimmenauszählung und insoweit fälschlicher Verkündung eines positiven Beschlusses durch einen Versammlungsleiter (mit entsprechender Aufnahme eines solchen Beschlusses im Protokoll) bei Angriffen gegen diese Verkündung und insbesondere die unrichtige Stimmenauszählung auch im Rahmen von Feststellungsanträgen die 1-monatige Beschlussanfechtungsfrist gewahrt w...

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