Rz. 173

Der Pflichtteil ist ohne jede Last und Beschränkung herauszugeben. Würde bei der Herausgabe des Pflichtteils das verbleibende Vermögen nicht einmal den beschränkten Nießbrauch des Ehegatten des Erblassers sichern, so genießt der Anspruch des überlebenden Ehegatten Vorrang: Derjenige Teil des Pflichtteils, der den beschränkten Nießbrauch sichert, kann erst nach Erlöschen des Nießbrauchs des Ehegatten herausgegeben werden.

 

Rz. 174

Hat der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten ein Vermögen mit Beschränkung oder Belastung hinterlassen, so gilt die Beschränkung nur auf den Überschuss über den Pflichtteil. Der Erblasser kann jedoch auch verfügen, dass der Berechtigte nur seinen Pflichtteil erhält, es sei denn, er nimmt die Beschränkung oder die Belastung auch hinsichtlich des Pflichtteils an.

 

Rz. 175

Eine allgemeine Vorschrift über die Herausgabe des Pflichtteils bestimmt, dass der Berechtigte diesen in Geld beanspruchen kann. Der Pflichtteilsberechtigte kann allerdings die Herausgabe des Pflichtteils in natura in folgenden drei Fällen fordern:

wenn der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen derart verfügte oder wenn er zu Lebzeiten seinen Willen äußerte, dass der Pflichtteil dem Pflichtteilsberechtigten in natura, ggf. sogar in Form der Zuweisung eines bestimmten Vermögensgegenstands, herausgegeben werden soll;
wenn die Beteiligten die Befriedigung in natura vereinbart haben;
wenn die Befriedigung in Geld nach dem Ermessen des Gerichts entweder für den Berechtigten oder den Verpflichteten nachteilig wäre. Dies ist insbesondere der Fall, wenn im Nachlass kein Bargeld vorhanden ist und der Verpflichtete den Pflichtteil wegen seiner finanziellen Lage auch nicht in bar erfüllen kann. Das kann außerdem dann angenommen werden, wenn vom Erbfall bis zur Herausgabe des Pflichtteils längere Zeit vergangen ist und sich der Wert der Vermögensgegenstände im Nachlass inzwischen wesentlich geändert hat. Das Gericht entscheidet unter Abwägung der Interessen der Parteien und aller Umstände, ob die Abweichung gerechtfertigt ist und wenn ja, in welchem Umfang. Hält es das Gericht nach diesen Aspekten für gerechtfertigt, kann es die Herausgabe des Pflichtteils ganz oder teilweise in natura anordnen, und zwar auch dann, wenn der Berechtigte die Herausgabe in Geld verlangt hat.
 

Rz. 176

Der Pflichtteilsanspruch ist kein Anspruch auf eine unmittelbare (dingliche) Nachlassbeteiligung, sondern eine schuldrechtliche Forderung. Der Pflichtteilsberechtigte kann daher seinen Pflichtteil nur dann erhalten, wenn er seinen Anspruch gegen die für die Befriedigung des Pflichtteils haftenden Personen geltend macht. Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Erbfall.

 

Rz. 177

Der Pflichtteilsberechtigte kann auf seinen Anspruch verzichten. Dieser Verzicht ist an keine Formvorschriften gebunden, daher kann er ausdrücklich erklärt werden oder auch stillschweigend erfolgen. Der Pflichtteilsverzicht ist jedoch dem Verzicht auf die Erbschaft nicht gleichgestellt, welcher den Wegfall aus der Erbfolge zur Folge hat. Der Pflichtteilsanspruch ist – als Geldforderung mit schuldrechtlichem Charakter – abtretbar.[141]

 

Rz. 178

Der Anspruch auf den Pflichtteil wird mit dem Erbfall fällig. Der Verpflichtete hat daher – bei Herausgabe in Geld – von diesem Zeitpunkt an Verzugszinsen zu zahlen.[142] Der Pflichtteil erscheint im Nachlassverfahren als Nachlassverbindlichkeit. Jeder Pflichtteilsberechtigte kann seinen Anspruch allein geltend machen; der Pflichtteilsanspruch kann nicht als ein gemeinsames Recht angesehen werden, über das nur dann entschieden werden könnte, wenn alle Pflichtteilsberechtigten gemeinsam klagen, und auch nicht als ein solches, bei dem sich die getroffene Entscheidung auch ohne Klage auf die übrigen Pflichtteilsberechtigten erstrecken würde.[143]

 

Rz. 179

Stirbt der Pflichtteilsberechtigte während des von ihm eingeleiteten Rechtsstreits, so ist dessen Rechtsnachfolger zur Fortführung des Rechtsstreits berechtigt. Die Rechtsprechung erkennt die Geltendmachung des Anspruchs des Rechtsnachfolgers des Pflichtteilsberechtigten im eigenen Namen jedoch nur ausnahmsweise dann an, wenn eindeutig festgestellt werden kann, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch auch selber durchsetzen wollte, daran aber nur durch einen außerhalb seines Willens stehenden Grund gehindert wurde. Um dies festzustellen, reicht – mangels Erklärungen oder Umstände, die auf den wahren Willen des Pflichtteilsberechtigten schließen lassen – allein die Tatsache nicht aus, dass er kurz nach dem Erblasser verstorben ist. Dies ist insbesondere dann maßgebend, wenn der Erblasser in seinem Testament – wenn auch nicht entsprechend den Regeln über die Bemessungsgrundlage des Pflichtteils – dem Pflichtteilsberechtigten eine Zuwendung zukommen ließ.

[141] BH (Sammlung der Urteile des Obersten Gerichtshofs) 1994. 367.
[142] BH (Sammlung der Urteile des Obersten Gerichtshofs) 1996. 366.
[143] D.h., die gerichtliche Ge...

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