Eine abweichende Vereinbarung ist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 WEG aber für den Fall zulässig, dass das Gebäude ganz oder teilweise zerstört ist und eine Verpflichtung zum Wiederaufbau nicht besteht. Die Wohnungseigentümer können also für diesen Fall vereinbaren, dass einzelne Wohnungseigentümer die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen können.

Den Wiederaufbau regelt die Bestimmung des § 22 WEG: Ist das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört und ist der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nicht beschlossen oder verlangt werden. Hieraus folgt, dass

  1. die Wohnungseigentümer auch dann den Wiederaufbau vereinbaren können, wenn das Gebäude zu mehr als der Hälfte seines Werts zerstört ist und der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt ist;
  2. soweit eine entsprechende Vereinbarung nicht besteht, in einem derartigen Fall keiner der Wohnungseigentümer den Wiederaufbau verlangen kann; es besteht auch keine Beschlusskompetenz;
  3. im Fall der Zerstörung des Gebäudes zu mehr als der Hälfte seines Werts dann ein Anspruch auf Wiederaufbau besteht bzw. ein solcher beschlossen werden kann, wenn der Schaden durch eine Versicherung oder in anderer Weise, etwa entsprechenden Schadensersatzansprüchen, gedeckt ist;
  4. im Fall der Zerstörung des Gebäudes zu weniger als der Hälfte seines Wertes auch dann ein Anspruch auf Wiederaufbau besteht bzw. ein solcher beschlossen werden kann, wenn der Schaden nicht durch eine Versicherung oder in anderer Weise gedeckt ist.

Bezüglich des Werts des Gebäudes ist auf dessen Verkehrswert abzustellen. Der Wertvergleich bezieht sich auf den realen Gebäudewert vor und nach der Zerstörung.[1]

 
Praxis-Beispiel

Wertvergleich

Der Verkehrswert des Gebäudes beträgt 1,5 Millionen EUR. Liegen die Reparaturkosten über 750.000 EUR, ist es zu mehr als der Hälfte zerstört.

Zerstört ist das Gebäude dann, wenn seine Nutzbarkeit ganz oder teilweise aufgehoben ist. I. S. v. § 22 WEG ist ein Gebäude allerdings nur dann zerstört, wenn seine Nutzbarkeit durch punktuelle Ereignisse wie etwa Brand, Überflutung oder Explosion wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Dies ist nicht der Fall, wenn etwa eine Sanierung des Gebäudes hohe Kosten verursacht.[2] Bei einem punktuellen Ereignis wie einem Flutschaden bezieht sich der Wertvergleich auf den realen Gebäudewert vor und nach der Zerstörung. Bei einem Sanierungsstau fehlt es schon an einem konkreten Zeitpunkt, auf den ein "Vorher-Nachher-Vergleich" realer Werte bezogen werden könnte. Da es also auch bei erheblichem Sanierungsstau an einer Zerstörung i. Si. v. § 22 WEG fehlt, besteht eine Pflicht zur Sanierung und ein Beschluss etwa über ein Nutzungsverbot oder die Stilllegung der Anlage widerspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.

 
Praxis-Beispiel

Das marode Parkhaus

Das Parkhaus ist über 40 Jahre alt und stark sanierungsbedürftig. 3 der insgesamt 11 Ebenen des Parkhauses stehen im Sondereigentum eines Teileigentümers, die er an ein benachbartes Hotel vermietet. Die übrigen Ebenen sind seit Jahren außer Betrieb. Nachdem das Bauordnungsamt Nachweise für die Einhaltung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen angefordert hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, dass die Ebenen des vermietenden Teileigentümers nicht mehr genutzt werden dürfen. Diesem wurde allerdings gestattet, die brandschutztechnischen Mängel selbst und auf eigene Kosten zu beseitigen. Nach Vorlage entsprechender Nachweise sollte er die Nutzung wieder aufnehmen dürfen.

Die übrigen Wohnungseigentümer können sich nicht darauf berufen, dass ihnen die mit der Sanierung einhergehenden Kosten nicht zuzumuten seien. Der Verpflichtung zur Vornahme zwingend erforderlicher Maßnahmen können sich die Wohnungseigentümer auch nicht durch ein mehrheitlich verhängtes dauerhaftes Nutzungsverbot entziehen. Als solches wirkt sich der Beschluss faktisch aus, weil die Beseitigung der Brandschutzmängel dem Teileigentümer überantwortet wurde.[3]

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