1 Leitsatz

Der Beschluss, einen Umlageschlüssel rückwirkend zu ändern, entspricht in der Regel keiner ordnungsmäßigen Verwaltung.

2 Normenkette

§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen am 21.9.2021, mit Wirkung ab dem 1.1.2019 die Kosten wie folgt umzulegen:

  • Kaltwasser und Abwasser verbrauchsabhängig
  • Kabel-TV/Rundfunk-Versorgung nach der Anzahl der Einheiten
  • Verwalter nach der Anzahl der Einheiten
  • mit Blick auf einen Beschluss, wonach dem Verwalter ab 2017 für die jährliche Erstellung von Steuerbescheinigungen nach § 35a EStG eine besondere Vergütung (derzeit 4 EUR zzgl. Umsatzsteuer) pro Einheit zusteht, die hierdurch entstehenden Kosten nach der Anzahl der Einheiten
  • Sondervergütungen oder Aufwendungsersatzansprüche des Verwalters nach dem Verursachungsprinzip

Dagegen geht Wohnungseigentümer K vor.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Zwar bestehe eine Beschlusskompetenz für eine rückwirkende Änderung eines Umlageschlüssels, selbst dann, wenn bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume betroffen seien. Ein Beschluss, einen Umlageschlüssel rückwirkend zu ändern, entspreche aber keiner ordnungsmäßigen Verwaltung. § 6 Abs. 4 Satz 3 HeizkostenV, der für die von der HeizkostenV erfassten Kosten Änderungen des Verteilungsmaßstabes nur mit Wirkung zum Beginn eines Abrechnungszeitraums für zulässig erkläre, sei eine auf diese Kostenpositionen beschränkte Ausnahmevorschrift, die mangels Regelungslücke nicht entsprechend herangezogen werden könne. Der darin enthaltene Rechtsgedanke fließe allerdings in die Bewertung einer rückwirkenden Änderung als ordnungsmäßiges Verwaltungshandeln ein, insbesondere dort, wo verbrauchsabhängig abgerechnet werde und sich damit bei rückwirkender Änderung gegebenenfalls Kosteneinsparungsbemühungen einzelner Wohnungseigentümer nachträglich als frustriert erweisen könnten. Vertrauensschutz und die Herstellung von Kostengerechtigkeit seien gegeneinander abzuwägen. Danach werde es regelmäßig unzulässig sein, in bereits vollständig abgeschlossene Abrechnungszeiträume einzugreifen. Anders liege es nur, wenn der bisherige Umlageschlüssel unbrauchbar, in hohem Maße unpraktikabel oder grob unbillig sei. Hier komme dem Ziel der Gerechtigkeit Vorrang vor Vertrauensschutzgesichtspunkten zu, zumal sich bei Umlageschlüssel, die zu grob unbilligen Ergebnissen führten, ohnehin kein schutzwürdiges Vertrauen habe herausbilden dürfen. Ähnliches (kein Herausbilden schutzwürdigen Vertrauens) werde man annehmen können, wenn das Wirtschaftsjahr ohne (gültigen) Wirtschaftsplan (bzw. Einzelwirtschaftspläne) verstrichen sei. In laufende Abrechnungszeiträume werde zudem ordnungsmäßig rückwirkend eingegriffen werden können, selbst dann, wenn die Vorschüsse auf Basis für sich genommen nicht zu beanstandender Einzelwirtschaftspläne beschlossen worden seien. Gemessen an diesen Grundsätzen könne eine rückwirkende Änderung des Umlageschlüssels für die bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre 2019 und 2020 keinen Bestand haben. Besondere Umstände, die eine solche Rückwirkung ausnahmsweise zulassen würden, seien nicht ersichtlich.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es der Sache nach um die Frage, ob es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht, einen Umlageschlüssel rückwirkend zu ändern.

Rückwirkende Änderung eines Umlageschlüssels

Die LG-Lösung entspricht dem allgemeinen Denken. Danach gilt: Der Beschluss, einen Umlageschlüssel zu ändern, ist grundsätzlich nur für künftige Wirtschaftspläne und darauf beruhende Jahresabrechnungen ordnungsmäßig. Etwas Anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der bisherige Umlageschlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt. Ferner gilt etwas Anderes bei einem noch nicht abgeschlossenen Vorgang, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat. Dies dürfte bei solchen Vorgängen die Regel sein.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Entscheidung sollte nicht missverstanden werden. Die im Sachverhalt genannten Umlageschlüssel dürften jeweils sachgerecht sein. Die Wohnungseigentümer sollten diese aber für die Zukunft bestimmen – und können das nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG auch.

6 Entscheidung

LG Düsseldorf, Urteil v. 19.4.2023, 25 S 34/22

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