Leitsatz

  1. Übertragung von Wohnungseigentum an einen Minderjährigen unter Nießbrauchsvorbehalt nicht lediglich rechtlich vorteilhaft
  2. Das dingliche (Erfüllungs-)Rechtsgeschäft bedarf deshalb der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder eines Ergänzungspflegers
  3. Über Grundbuchbeschwerden hat das LG einer Zivilkammer in voller Besetzung zu entscheiden
 

Normenkette

§ 10 Abs. 3, 4 u. 8 WEG n.F.; §§ 107, 873, 1795, 1629, 1909 BGB; § 81 Abs. 1 GBO; § 75 GVG

 

Kommentar

  1. Der Erwerb von Wohnungseigentum (unter Nießbrauchsvorbehalt) durch einen Minderjährigen dürfte auch dann, wenn ein Verwalter nicht bestellt sein sollte und auch eine Verschärfung der den Eigentümern kraft Gesetzes treffenden Verpflichtungen durch die Gemeinschaftsordnung nicht festzustellen sein, nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sein; für das dingliche Rechtsgeschäft erscheint deshalb die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters oder eines Ergänzungspflegers notwendig.

    Nach neuer Rechtsprechung des BGH (BGHZ 161, 170; 162, 137) ist ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB, wenn der Minderjährige in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Allein typischerweise ungefährliche Rechtsnachteile (etwa Tragung der öffentlichen Grundstückslasten) sollen dabei außer Betracht bleiben können. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck des § 107 BGB.

  2. Nach Auffassung des Senats erscheint das Erfüllungsgeschäft ungeachtet der Ausgestaltung der Gemeinschaftsordnung und der Frage, ob das Nichtbestehen eines Verwaltervertrags in grundbuchmäßiger Form nachgewiesen ist, als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Während der BGH in seiner Entscheidung v. 9.7.1980 (BGHZ 78, 28/31 f.) die Vorteilsfrage noch offen ließ, vertritt die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht, dass die Einschaltung eines Ergänzungspflegers in solchen Fällen nur dann erforderlich sei, wenn die Gemeinschaftsordnung über das Gesetz hinausgehende Pflichten begründe, während vor allem die grundbuchrechtliche Literatur zur Auffassung gelangte, dass beim Erwerb von Wohnungseigentum in der (grundbuchrechtlichen) Praxis regelmäßig die Mitwirkung eines Pflegers erforderlich oder zumindest empfehlenswert sei.

    Nachdem nunmehr durch die WEG-Reform (WEG in der Fassung v. 26.3.2007, BGBl I S. 370) die Haftungsverfassung im Wohnungseigentum ähnlich wie in einer Handelsgesellschaft (nach §§ 128, 129 HGB) ausgestaltet und geändert wurde, kann es nunmehr zu einer persönlichen Haftung eines Eigentümers (mit seinem Privatvermögen) unbeschränkt und im Außenverhältnis unbeschränkbar, primär, akzessorisch und anteilig in Höhe seines Miteigentumsanteils kommen. Bei dieser Haftung nach § 10 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 BGB handelt es sich um eine Haftung für fremde Schuld, nämlich die des Verbands Wohnungseigentümergemeinschaft (KK-WEG/Elzer, § 10 Rn. 471 u. 472). Dieses Haftungssystem bedingt Pflichten, deren wirtschaftliche Bedeutung von den Umständen des Einzelfalls abhängen.

    Nach Ansicht des Senats ist auch wegen der Wirkung von § 10 Abs. 4 WEG die Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters oder des Ergänzungspflegers unerlässlich, da Beschlüsse der Eigentümer gegen Sonderrechtsnachfolger wirken, ohne dass sie im Grundbuch verlautbart sind. Dies gilt auch für Beschlüsse, die aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel vom Gesetz abweichen oder eine Vereinbarung ändern. Insbesondere im Fall einer vereinbarten Öffnungsklausel ist es für das Grundbuchamt schlechterdings nicht feststellbar, ob durch solche Beschlüsse die gesetzliche Ausgestaltung des Wohnungseigentums abgeändert und die dem einzelnen Wohnungseigentümer treffenden Verpflichtungen nicht unerheblich verschärft haben (vgl. auch Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 10 Rn. 52). Aber auch ohne Öffnungsklausel ist die Kompetenz der Wohnungseigentümer zur Beschlussfassung nicht unerheblich erweitert worden (vgl. §§ 16 Abs. 3 u. 4 sowie 21Abs. 7 WEG). Deshalb kann jedenfalls nach der seit 1.7.2007 geltenden Rechtslage nicht von einem typischerweise ganz unerheblichen und den Anwendungsbereich des § 107 BGB einschränkenden Gefährdungspotenzial ausgegangen werden.

    Hinzu kommt im vorliegenden Fall noch eine gegenüber § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG kraft Vereinbarung geänderte Stimmkraftverteilung nach dem Wertprinzip.

    Allerdings hat im vorliegenden Fall das Grundbuchamt die rechtliche Vorteilhaftigkeit des Grundgeschäfts zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

  3. Über Grundbuchbeschwerden entscheidet i. Ü. bei den Landgerichten eine Zivilkammer in der Besetzung mit 3 Richtern einschließlich des Vorsitzenden. Eine Übertragung auf den Einzelrichter ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die von der Beschwerdekammer dennoch vorgenommene Übertragung ist ohne rechtliche Grundlage und nicht geeignet, den gesetzlichen Richter zu bestimmen.
 

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