Leitsatz

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass der Begriff der "Übernahme von Verbindlichkeiten" andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausschließt.

 

Problematik

Bei Verkauf eines vermieteten Mehrfamilienhauses übernahm der Verkäufer die Verpflichtung, noch ausstehende Renovierungsarbeiten durchzuführen; anschließend der Verkäufer mit Velvet & Steel die "Abtretung eines Kaufpreisanteils gegen Verpflichtungsübernahme". Velvet & Steel übernahm die Renovierungsverpflichtung.

Das Finanzamt behandelte dies als steuerpflichtige Leistung. Velvet & Steel meinte, es sei eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfreie "Übernahme von Verbindlichkeiten". Das Finanzgericht legte die Sache (wegen unterschiedlicher Begriffsinhalte in den verschiedenen Sprachfassungen des einschlägigen Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der 6. EG-Richtlinie) dem EuGH vor, der am 19.4.2007 entschied (s. Leitsatz).

 

Konsequenzen für die Praxis

Dass die Begriffe der Umsatzsteuerbefreiungen eng auszulegen sind, ist ständige Rechtsprechung des EuGH. Enthält die Richtlinie – wie hier – keine Definition des fraglichen Begriffs und ergeben die verschiedenen Sprachfassungen keine eindeutige Bestimmung (z. T. wie die deutsche Fassung, z. T. klar auf Geldverbindlichkeiten begrenzt), ist nach Kontext und Systematik der Richtlinie auszulegen. Dies führte zum Ergebnis, dass nach der Richtlinienbestimmung nur Finanzgeschäfte befreit werden sollen. Das gilt auch für § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG.

Dass in diesem Bereich noch weitere Unsicherheiten zutreffender Richtlinienumsetzungen in das UStG bestehen, zeigen u. a. die Gesetzesänderungen zu § 4 Nr. 8 Buchst c UStG und die BFH-Rechtsprechung dazu: Nach dem UStG 1980 betraf die Befreiung die "Umsätze mit Geldforderungen". Durch das StBereinigungsG 1986 wurden die "Optionsgeschäfte mit Geldforderungen" hinzugefügt. 1990 wurde der Text auf "Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen" bereinigt. Erst 2001 wurde der Text an Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-Richtlinie angepasst und betrifft nunmehr "Umsätze im Geschäft mit Forderungen".

Darunter fallen nach der Gesetzesbegründung auch Umsätze von Forderungen in Form anderer Handelspapiere, insbesondere im Geschäft mit Warenforderungen (z. B. Optionen im Warentermingeschäft[1]). So entschied zuletzt auch der BFH im Urteil V R 19/02[2].

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil v. 19.4.2007, C-455/05, – Velvet & Steel Immobilien und Handels GmbH gegen Finanzamt Hamburg-Eimsbüttel –, BFH/NV Beilage 2007 S. 294

[1] Vgl. z. B. Klenk in Sölch/Ringleb, § 4 Nr. 8 Rz 31.

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