Rz. 105

Für in Deutschland befindliches bewegliches Vermögen wird gem. § 2369 BGB ein Fremdrechtserbschein erteilt, da auf diesen Teil des Nachlasses das türkische Recht anwendbar ist (§ 14 NA).[166]

 

Rz. 106

Im türkischen Rechtssystem werden fast alle Anträge, die an ein Gericht gerichtet sind, unter dem großen Oberbegriff "Klage" (Dava) zusammengefasst. Obwohl es sich bei der Erteilung des Erbscheins um die Erteilung eine Urkunde handelt, deren Unrichtigkeit jederzeit geltend gemacht werden kann (Art. 598 Abs. 3 ZGB), wird in der Praxis i.d.R. eine Erbscheinklage erhoben, um einen Erbschein zu erlangen (Art. 8 Abs. II Nr. 6 türk. ZGB).[167] Auf Antrag stellt das Friedensgericht einen Erbschein aus, der die Feststellung der Erbeneigenschaft enthält (Art. 598 Abs. 1 ZGB).

 

Rz. 107

Nach Ablauf eines Monats seit der Mitteilung an die Beteiligten wird den eingesetzten Erben auf ihr Verlangen von dem Friedensgericht ein Erbschein ausgestellt, wenn die gesetzlichen Erben oder die aus einer früheren Verfügung Bedachten nicht ausdrücklich deren Berechtigung bestritten haben (Art. 598 Abs. 2 ZGB).

 

Rz. 108

Im Gegensatz zum deutschen Recht (§ 2369 BGB) enthält das ZGB keine explizite Regelung für einen Fremderbschein, aber dafür eine allgemeine Regelung. Jeder (also auch ein Ausländer), der seine Eigenschaft als gesetzlicher Erbe nachweist, kann einen Erbschein erhalten (Art. 598 Abs. 1 ZGB). Der Erbe muss lediglich den Tod des Erblassers und sein Verwandtschaftsverhältnis dem Gericht nachweisen. Das Weitere muss das Gericht von Amts wegen ermitteln.[168] Örtlich zuständig für die Erbscheinklage ist jedes Friedensgericht. Klagebefugt ist der Erbe. Die Klagen können auch von mehreren Erben gemeinsam erhoben werden. Sie haben die Feststellung der Erbeneigenschaft zum Ziel. Seit 2011 dürfen auch die Notare den Erbschein ausstellen.[169] Ist jedoch die Ausstellung des Erbscheins strittig oder von einem Ausländer beantragt, sind die Notare nicht mehr zuständig (Art. 71/B türk. Notarengesetz, Art. 2/V Verwaltungsvorschrift.[170] Für die Ausstellung des Erbscheins nötige Unterlagen, die von den diplomatisch/konsularischen Vertretungen der Türkei im Ausland ausgestellt sind, bedürfen keines weiteren Anerkennungsverfahrens in der Türkei.[171] Der Erbschein ist gültig, bis das Gegenteil gerichtlich festgestellt wird. Streitet jedoch ein Erbe die Erbeneigenschaft einer anderen Person ab, wird die Klage gegen diese Person gerichtet. Der Erbschein hat nach rechtskräftigem Urteil des Gerichts die Wirkung eines Gerichtsurteils (ilam).

Ein Muster zur Erbscheinklage befindet sich auf der beiliegenden CD-ROM.

 

Rz. 109

Das Klageverfahren richtet sich nach der Prozessordnung, wobei kein Anwaltszwang besteht.[172]

[166] Naumann, RNotZ 2003, 370.
[167] Lassen Sie sich hierbei aber nicht davon irritieren, dass es in der türkischen Rechtspraxis mehrere Begriffe für den Erbschein gibt: Veraset ilami, Veraset Belgesi, Mirascilik Belgesi (der gesetzliche Begriff nach dem neuen ZGB); alle Begriffe haben die gleiche Bedeutung.
[168] Entscheidung des Kassationshofes vom 30.1.2013, 7. HD., E. 2012/7358, K. 2013/618 (veröffentlicht in der Entscheidungssammlung des Kassationshofes Band 39, 11/2013, S. 2287 ff.); Ayan, Miras Hukuku, S. 243 Fn 41.
[169] Mit Art. 19 des Gesetzes vom 31.3.2011 (Gesetz Nr. 6217) wurde Art. 598 tZGB auf die "Notare" erweitert und in das türkische Notargesetz wurden die neuen Art. 71A–71C eingefügt.
[170] Verwaltungsvorschrift zur Ausstellung von Erbscheinen durch die Notare, Amtsblatt vom 4.10.2011, Nr. 28074.
[171] Entscheidung des Kassationshofes vom 11.6.2001, 2. HD., E. 2001/7607, K. 2001/8723 (veröffentlicht in der Entscheidungssammlung des Kassationshofes Band 28, 1/2002, S. 22 f.).

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