Rz. 115

Gemäß Art. 58 Abs. 1 türkIPRG und Art. 54 türkIPRG muss das ausländische Gericht das nach türkischem internationalem Privatrecht maßgebende Recht angewandt haben.[144] Die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist nicht zulässig, falls es das Personalstatut von Türken betrifft, das nach den türkischen Kollisionsnormen maßgebende Recht nicht angewandt worden ist und der beklagte türkische Staatsangehörige aus diesem Grund einen Einwand gegen die Vollstreckbarerklärung erhoben hat. Aus diesem Grunde spielt die Staatsangehörigkeit eine große Rolle. Da sowohl in deutschen als auch in türkischen Kollisionsnormen an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, kann es bei deutsch-türkischen Doppelstaatern zu Problemen führen.[145]

 

Rz. 116

Wie zu verfahren ist, wenn deutsche und türkische Behörden sich für das Personenrecht eines deutsch-türkischen Doppelstaaters zuständig oder umgekehrt für unzuständig erklären, ist ungeklärt. Diese Frage taucht auch im Bereich der Scheidungsurteile auf.[146]

Die Türkei hat sich für die Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips im internationalen Personen-, Familien- und Erbrecht entschieden.[147] Art. 4 Abs. 1 lit. b türkIPRG entspricht spiegelbildlich der Regelung des Art. 5 Abs. 1 EGBGB.[148] Art. 4 Abs. 1 lit. b türkIPRG sowie Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB werden mit dem Bedürfnis gerichtlicher und standesamtlicher Praxis begründet.[149] Es wird behauptet, das inländische materielle Recht sei viel sicherer anzuwenden als das nicht so bekannte fremde Recht.

 

Rz. 117

So werden die Herstellung internationaler Entscheidungsharmonie und der kollisionsrechtliche Grundsatz des Gleichheitsgebots ignoriert. In Wirklichkeit führen diese Regelungen die Rechtspraxis in eine Sackgasse. Wenn in Deutschland lebende türkische Eheleute sich vor einem deutschen Gericht scheiden lassen, wird gem. Art. 8 Rom III-VO deutsches Erbrecht angewandt. Wenn sie sich aber vor einem türkischen Gericht scheiden lassen, so müssen türkische Sachnormen angewandt werden. Dieser Zustand des internationalen Privatrechts beider Länder kann Konflikte im Rahmen von Rechtshängigkeit und Anerkennung verursachen.[150]

[144] Zur Anerkennung und Vollstreckung im Falle von Mehrstaatigkeit siehe ausführlich Nomer, JZ 1993, 1142 ff.
[145] Zur deutsch-türkischen Doppelstaatsangehörigkeit siehe ausführlicher: Kiliç, Deutsch-türkische Doppelstaatsangehörigkeit?, StAZ 1994, 77 f.; Ansay, Doppelstaatsangehörigkeit für Türken?, InfAuslR 1981, 84 ff.; Martiny, Probleme der Doppelstaatsangehörigkeit im deutschen Internationalen Privatrecht, JZ 1993, 1145 ff.
[146] Ansay, StAZ 1983, 30.
[147] Vgl. Krüger, Neues internationales Privatrecht in der Türkei, ZfRV 1982, 171.
[148] "In den Fällen, in denen aufgrund der Vorschriften dieses Gesetzes das anzuwendende Recht nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip zu bestimmen ist, wird, falls in diesem Gesetz nichts Gegenteiliges vorgesehen ist, wie folgt verfahren: Besitzt jemand mehr als eine Staatsangehörigkeit und ist eine davon die türkische, so wird in diesem Fall türkisches Recht angewandt (Art. 4 Abs. 1b türkIPRG)."
[149] Nomer, Devletler Hususi Hukuku (Internationales Privatrecht), 2010, S. 126; Jayme in: Festschrift Müller-Freienfels, S. 364; Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, S. 205.
[150] Martiny, Probleme der Doppelstaatsangehörigkeit im deutschen Internationalen Privatrecht, JZ 1993, 1150.

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