Rz. 108

Für die Nebenurteile (z.B. Unterhalts-, Sorgerechts- und Schadensersatzurteile) ist aufgrund ihrer Natur ein Vollstreckungsverfahren erforderlich (siehe Rdn 95 ff.). Dasselbe Verfahren verlangt ein Teil der Lit. und Rspr. auch für reine Scheidungsurteile. Davon unabhängig kann die klagende Partei dieses Verfahren selbst wählen.[140]

 

Rz. 109

Bei dem Vollstreckungsverfahren sollen – im Gegensatz zur Anerkennung (siehe Rdn 95 ff.) – alle in Art. 54 türkIPRG festgelegten Voraussetzungen (also auch lit. a und c) erfüllt sein. Die für die Vollstreckung von deutschen Gerichten erlassenen Scheidungsurteile erforderliche Gegenseitigkeitsvoraussetzung (lit. a) ist vorhanden.[141] Des Weiteren darf kein berechtigter Einwand von Seiten des Beklagten gem. Art. 54 lit. c türkIPRG vorliegen. Als solche Einwände stehen ihm zur Verfügung:

Er sei nicht formgemäß entsprechend den Gesetzen des betreffenden Staates vor das erkennende Gericht geladen worden;
er sei vor dem betreffenden Gericht nicht vertreten gewesen; oder
es sei ein Versäumnisurteil unter Verletzung der Gesetze des betreffenden Staates ergangen.

Im Falle einer Rüge muss das türkische Gericht untersuchen, ob der Einwand berechtigt ist; auf eigene Initiative darf es aber nicht tätig werden.[142] Unterbleibt eine derartige Rüge, ist die Voraussetzung des Art. 54 lit. c türkIPRG ohne gerichtliche Prüfung als gegeben anzusehen.

 

Rz. 110

Im Antrag auf Vollstreckbarerklärung sollen die Namen, Vornamen und Anschriften der gegnerischen Partei und ggf. der gesetzlichen Vertreter und Bevollmächtigten enthalten sein (Art. 36 Abs. 1 lit. a türkIPRG), damit sie vom Gericht offiziell geladen werden können, um einen eventuellen Einwand geltend zu machen. Sich an dem Prozess nicht zu beteiligen bleibt der gegnerischen Partei vorbehalten, stellt aber auch kein Prozesshindernis dar.

 

Rz. 111

Wollen beide geschiedenen Parteien die Anerkennung und die Vollstreckung des Scheidungsurteils in der Türkei betreiben, können sie jeweils einen anwaltlichen Vertreter in der Türkei beauftragen. Dies erübrigt sich jedoch, wenn eine der Parteien notariell erklärt, keine Einwände gegen die Anerkennung und Vollstreckung des betreffenden Scheidungsurteils geltend zu machen. Folgende Formulierung bietet sich an:

 

Rz. 112

"Anhand dieser notariellen Urkunde erkläre ich, dass ich mit der Anerkennung und Vollstreckung des Scheidungsurteils des Amtsgerichts … vom … einverstanden bin und dagegen keinerlei Einwände geltend mache."

 

Rz. 113

Wenn jedoch eine der geschiedenen Parteien bei der Anerkennung und Vollstreckung des Scheidungsurteils nicht mitwirkt, führt dies zu einem langwierigen Prozess, da die Ladung des im Ausland ansässigen Beklagten viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Dies ist i.d.R. der Fall, wenn einer der geschiedenen Parteien gebürtige deutsche Staatsangehörige ist und ihr das lediglich deutsche Scheidungsurteil genügt. Häufig spielen dabei weniger Verzögerungsabsichten der deutschen Partei eine Rolle als die Ungewissheit und das Misstrauen gegenüber der anderen Partei bezüglich der Verwendung der erteilten Vollmacht. In solchen Fällen können zwei Wege empfohlen werden:

Eine anwaltliche Vertretung in der Türkei wird nur mit der Anerkennung und Vollstreckung eines bestimmten Scheidungsurteils beauftragt (also keine allgemeine Vollmacht).
Es kann eine notarielle Einverständniserklärung vor einem deutschen Notar abgegeben werden. Diese wird von einem vereidigten Dolmetscher übersetzt, sodann vom örtlich zuständigen türkischen Konsulat beglaubigt.[143]
 

Rz. 114

Zustellung an den türkischen Staatsangehörigen im Ausland: Ist der Zustellungsadressat türkischer Staatsangehöriger, kann ein neuer vereinfachter Zustellungsweg genutzt werden. Nach Art. 25a ist eine Zustellung auch über die türkischen Botschaften oder Konsulate möglich. Der Zustellungsbescheid muss folgende Informationen enthalten:

den Gegenstand der Zustellung,
die/das zustellende Stelle/Amt und
eine Rechtsbelehrung darüber, dass der Brief als zugestellt gilt, falls der Betroffene nicht innerhalb von 30 Tagen bei der Entsendestelle (Konsulat oder Botschaft) vorstellig wird.

Somit richtet sich die Zustellung nach den Gesetzen des Landes, in dem sie tatsächlich erfolgt. Wird der Betroffene nach ordnungsgemäßer Ladung beim türkischen Konsulat oder der Botschaft innerhalb von 30 Tagen nicht vorstellig oder verweigert er nach Erscheinen die Annahme des Briefes, gilt der Brief als zugestellt.

[140] Für einen themenrelevanten Fall siehe das Urteil von Istanbul 1. Asliye Hukuk Mahkemesi (Grundgericht; zuständig nach Art. 35 türkIPR) v. 16.4.1984, E. 1983/491, K. 1984/204, in: MHB 1/1984, S. 59.
[141] Diese Gegenseitigkeit muss nicht unbedingt auf einem bi- oder multilateralen Vertrag beruhen. Eine gesetzliche Bestimmung oder die tatsächliche Ausübung der Vollstreckung von türkischen Gerichtsurteilen in dem betreffenden Land reicht aus. Der Vereinigte Senat des türkischen Kassationshofes (Yargitay Ictihadi Birlestirme Kurulu – höchst...

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