Leitsatz

Gemeinschaftliches Treppenpodest vor der Wohnung im obersten Stockwerk darf nicht mit Einbauschränken etc. verbaut bzw. verstellt werden

 

Normenkette

§ 14 WEG, § 15 WEG, § 16 Abs. 3 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 1004 BGB

 

Kommentar

1. In einer aus 3 Wohneinheiten bestehenden Wohnanlage hatte der Eigentümer der Wohnung im 2. (obersten) Obergeschoss neben seiner Wohnungseingangstüre auf oberstem Treppenpodest und gemeinschaftlichem Flurteil einen Einbau- und einen Oberschrank eingebaut, ebenso eine Bank (Sitztruhe) sowie weitere Garderobeneinrichtungsgegenstände (Teppich, Spiegel, Schirmständer und Blumenvase) auf der Fläche des Treppenpodestes aufgestellt.

1990 wurde in einer Eigentümerversammlung dann mehrheitlich beschlossen, den betreffenden Eigentümer zum Abbau der Einbauschränke und der Bank zu verpflichten. Der Beschluss wurde vom "Stör-Eigentümer" angefochten; der Erdgeschosseigentümer stellte Gegenantrag auf Beseitigung der eingebauten Schränke und aufgestellten Einrichtungsgegenstände sowie auf Unterlassung entsprechender Nutzung dieser gemeinschaftlichen Flurfläche. Das Berliner Kammergericht bestätigte die Zurückweisung der Anfechtung und verurteilte den Stör-Eigentümer gemäß Widerantrag.

2. Bei dem Einbau von Schränken im Bereich der Wohnungstüre auf dem Treppenpodest des gemeinschaftlichen Treppenhauses handle es sich um eine bauliche Veränderung, die der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedürfe. Mit der eigenmächtigen Aufstellung von Garderobeneinrichtungsgegenständen auf der Fläche des Treppenpodestes maße sich i. ü. der Wohnungseigentümer ein erhöhtes Nutzungsrecht an einer gemeinschaftlichen Sache an, das auch nicht aufgrund der örtlichen Beschaffenheit der Sache (oberstes Treppenpodest) gerechtfertigt sei.

Die restlichen Eigentümer seien durch die vorgenommene bauliche Veränderung in vermeidbarer Weise tatsächlich benachteiligt ( § 22 Abs. 1 S. 2 WEG ohne Duldungspflicht nach § 14 WEG). Vorliegend hätte dies der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft. Es sei hier eine grundsätzliche Neuerung geschaffen worden, auch wenn die bauliche Veränderung nicht viel negatives Gewicht habe. Wesentlich sei jedoch als Nachteil, dass der betreffende Stör-Eigentümer mit der Maßnahme Alleinbesitz an einem Teil des gemeinschaftlichen Eigentums (Treppenpodest) durch verbotene Eigenmacht ( § 858 Abs. 1 BGB) begründet und damit gleichzeitig die Zweckbestimmung der Gemeinschaftsfläche durch Umgestaltung eines Teils des Treppenpodestes einseitig verändert habe (h. M.). Dabei komme es nicht darauf an, ob das gemeinschaftliche Treppenpodest tatsächlich von den übrigen Wohnungseigentümern genutzt werde.

Auch unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung von 1979 (NJW 79, 817), in der das Allstimmigkeitsprinzip zu baulichen Veränderungen dahin modifiziert worden sei, dass Wohnungseigentümer, die in ihren Rechten durch eine bauliche Veränderung nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt würden, aus dem Kreis derjenigen ausgeklammert bleiben müssten, die nach § 22 Abs. 1 S. 1 WEG über eine bauliche Maßnahme zu entscheiden hätten, müsse im vorliegenden Fall gesagt werden, dass alle Eigentümer von den Folgen dieser baulichen Veränderung im Sinne einer Benachteiligung betroffen seien. So müssten gem. § 16 Abs. 2 WEG alle Eigentümer die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums und insbesondere die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung und auch des gemeinschaftlichen Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums nach dem Verhältnis ihrer Anteile tragen (unabhängig von tatsächlichen Nutzungen, vgl. BGH, NJW 1984, 2576). Demgemäß blieben auch die übrigen Eigentümer nach erfolgter baulicher Veränderung der Zweckbestimmung des obersten Treppenpodestes selbst ohne persönlichen Nutzen nach wie vor verpflichtet, die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung für diesen Gebäudeteil zu tragen. Auch sei nicht ausgeschlossen, dass die Gemeinschaft im Fall einer Veräußerung von Wohnungseigentum einem Anspruch des jeweiligen Erwerbers auf Beseitigung der vom Stör-Eigentümer eigenmächtig eingebauten Schränke ausgesetzt seien. Dies seien Nachteile, welche die Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu der in Rede stehenden baulichen Veränderung notwendig machten.

Die Verweigerung der Zustimmung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, selbst wenn der Einbau der Schränke bereits im Jahr 1987 erfolgt sein sollte. Abgesehen davon könne ein angemaßtes erhöhtes Nutzungsrecht an einer gemeinschaftlichen Sache nicht durch Zeitablauf erworben werden (Bärmann/Pick/Merle, 6. Aufl., § 13 Rdn. 38 und 45); somit könne auch nach Ablauf gewisser Zeit die gesteigerte Nutzung wieder verboten werden, jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Rechte der übrigen Eigentümer beeinträchtigt würden.

Somit sei auch der Anspruch auf Beseitigung der Bank (Sitztruhe) und der Garderobeneinrichtungsgegenstände gem. der §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG i.V.m. § 1004 BGB begründet.

Der Anspruch sei auch nicht verwirkt, da ...

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