3.5.4.1 Allgemeines

 

Rz. 55

Gemäß § 7 Abs. 2 AGG sind alle Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, unwirksam. Darüber hinaus räumt das AGG benachteiligten Beschäftigten verschiedene Rechte ein, angefangen beim Beschwerderecht (§ 13 AGG) über das Leistungsverweigerungsrecht bei fortbestehender Belästigung (§ 14 AGG) bis hin zum verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch für Vermögensschäden und verschuldensunabhängigem Entschädigungsanspruch für Nichtvermögensschäden (§ 15 AGG).

Ausdrücklich ausgeschlossen sind dagegen alle Ansprüche von benachteiligten Arbeitnehmern auf Begründung eines Beschäftigungs- oder Berufsausbildungsverhältnisses sowie auf einen beruflichen Aufstieg.

 

Rz. 56

Für alle Ansprüche gilt, dass sie innerhalb von 2 Monaten schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden müssen. Nach Ablauf dieser Frist sind sie ausgeschlossen. Weist der Arbeitgeber die Ansprüche zurück oder äußert er sich nicht, muss innerhalb von 3 Monaten Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden, § 61b Abs. 1 ArbGG.

3.5.4.2 Unwirksamkeit von Vereinbarungen und Maßnahmen

 

Rz. 57

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG sind alle individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unzulässig. § 7 Abs. 1 AGG ist Verbotsgesetz im Sinne von § 134 BGB; entgegenstehende Vereinbarungen und Maßnahmen sind danach nichtig.

Erfasst werden neben allen rechtsgeschäftlichen Abreden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch kollektivrechtliche Vereinbarungen wie z. B. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.

Aus der Unwirksamkeit von Vereinbarungen und Maßnahmen können sich für den Arbeitgeber ganz erhebliche Rechtsnachteile ergeben. Ist eine Vereinbarung oder Maßnahme unwirksam, so entfaltet sie keine Wirkung. Für die Beschäftigten gelten somit die allgemeinen Regelungen der kollektiven Vereinbarung oder die gesetzlichen Regelungen.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitgeber A beabsichtigt eine Teilbetriebsschließung. Er vereinbart einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem zuständigen Betriebsrat. Nach dem Sozialplan werden für den Verlust des Arbeitsplatzes abgestufte Abfindungen gezahlt. Für verheiratete Frauen sieht der Sozialplan einen Abschlag auf die nach allgemeiner Sozialplanformel ermittelte Abfindung von 50 % vor.

Diese Regelung ist wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG unwirksam. Die Bestimmungen des Sozialplans im Übrigen bleiben weiterhin wirksam. Infolgedessen haben die benachteiligten Arbeitnehmerinnen – verheiratete Frauen – Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach der allgemeinen Sozialplanformel. Dies hat zur Folge, dass das Sozialplanvolumen einen erheblich größeren Umfang erreichen kann als ursprünglich vom Arbeitgeber geplant und dass die Kosten erheblich steigen.

 

Rz. 58

Die Folgen der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit von Vereinbarungen und Maßnahmen ist unabhängig von etwaigen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen. Diese können bei Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen zusätzlich entstehen.

3.5.4.3 Leistungsverweigerungsrecht

 

Rz. 59

Gemäß § 14 AGG haben Beschäftigte unter den nachfolgenden Voraussetzungen ein Leistungsverweigerungsrecht:

  • Der Beschäftigte muss Opfer einer Belästigung oder sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz geworden sein;
  • der Arbeitgeber ergreift keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung;
  • das Leistungsverweigerungsrecht besteht nur insoweit, wie dies zum Schutz des Beschäftigten erforderlich ist.

Im Streitfall muss der Arbeitnehmer alle Voraussetzungen für das geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht darlegen und beweisen. Ihn trifft damit grundsätzlich das volle Risiko einer Fehleinschätzung mit der Folge, dass er Gefahr läuft, seinen Vergütungsanspruch für die Dauer der (unberechtigten) Leistungsverweigerung zu verlieren. Allerdings reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer Indizien dafür vorträgt, dass ein Verstoß gegen ein Merkmal des § 1 AGG zu einem Nachteil geführt hat, also insoweit kausal ist. Es reicht, wenn die Kausalität sich aus den Indizien vermuten lässt (BAG, Urteil v. 11.08.2016, AZR 4/15).

3.5.4.4 Schadensersatz

 

Rz. 60

§ 15 Abs. 1 AGG verpflichtet den Arbeitgeber, den Schaden, der durch einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot entstanden ist, zu ersetzen. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten hat, er also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Das Verhalten seiner gesetzlichen Vertreter und Erfüllungsgehilfen wird ihm zugerechnet.

Der Anspruch ist auf Ausgleich von Vermögensschäden gerichtet. Ist dem Arbeitnehmer ein materieller Schaden entstanden, ist er so zu stellen, wie er gestellt gewesen wäre, hätte das benachteiligende Verhalten nicht stattgefunden. Dies gilt allerdings nur mit der Maßgabe, dass ein Anspruch auf Einstellung bzw. Änderung der Arbeitsbedingungen (z. B. Beförderung) ausgeschlossen ist. Der Schadensersatzanspruch ist ansonsten in seiner Höhe nicht beschränkt, sodass auch langfristige Vermögensschäden auszugleichen sind.

3.5.4.5 Entschädigung

 

Rz. 61

Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ein benachteiligter Arbe...

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