7.1 Vorbemerkung

 

Rz. 39

§ 74 Abs. 3 regelt, dass Arbeitnehmer, die im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes Aufgaben übernehmen, also insbesondere in den Betriebsrat gewählt werden, hierdurch in der Betätigung in der Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt werden. Die Bestimmung stellt mithin klar, dass Betriebsratsmitglieder ebenso wie andere Mitglieder von Arbeitnehmervertretungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht daran gehindert sind, sich im Betrieb für ihre Gewerkschaft zu engagieren.

Abs. 3 wurde mit dem Betriebsverfassungsgesetz 1972 neu ins Gesetz aufgenommen. Bis dahin war Betriebsratsmitgliedern eine Gewerkschaftstätigkeit nur gestattet, wenn diese ausdrücklich und eindeutig vom Betriebsratsamt getrennt wurde, was von der Rechtsprechung regelmäßig nicht bejaht wurde.

Die Regelung ändert allerdings nichts daran, dass ein Betriebsrat nicht durch seine Tätigkeit für eine Gewerkschaft das Vertrauen in eine objektive und gewerkschaftsneutrale Amtsführung erschüttern darf. Der Betriebsrat ist – anders als ein Gewerkschaftsfunktionär – Repräsentant aller Arbeitnehmer, auch wenn diese nicht oder in anderen Gewerkschaften organisiert sind (vgl. BVerfG, Beschluss v. 27.3.1979, AP Nr. 31 zu Art. 9 GG). § 75 BetrVG, der die betriebsverfassungsrechtlichen Amtsträger zur Neutralität verpflichtet, gilt daher in vollem Umfang auch für gewerkschaftlich organisierte Amtsträger.

7.2 Inhalt und Reichweite

 

Rz. 40

§ 74 Abs. 3 erlaubt es Betriebsratsmitgliedern, ebenso wie den übrigen Arbeitnehmern, für ihre Gewerkschaft tätig zu werden und gewerkschaftliche Funktionen zu übernehmen (BAG, NZA 1987, 154). Grundsätzlich zulässig sind alle Handlungen und Maßnahmen, die von dem Koalitionsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG erfasst werden. Dazu gehören nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht nur der Kernbereich der Koalitionsbetätigung, sondern grundsätzlich alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (BVerfG, Beschluss v. 14.11.1995, AP Nr. 80 zu Art. 9 GG). Zulässig sind danach insbesondere die Werbung im Betrieb für eine Gewerkschaft, die Verbreitung von Gewerkschaftsinformationen und die Verteilung von Gewerkschaftszeitungen.[1]

Betriebsratsmitglieder dürfen derartige Tätigkeiten grundsätzlich ebenso wie die übrigen Arbeitnehmer ausüben. Allerdings müssen sie sich dabei, ebenso wie auch die Arbeitnehmer, an ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und Beschränkungen halten.

 

Rz. 41

Bei ihrer gewerkschaftlichen Betätigung müssen die Betriebsratsmitglieder sich allerdings neutral verhalten. Dies folgt aus § 75 Abs. 1 BetrVG, der durch die Regelung des § 74 Abs. 3 nicht eingeschränkt wird. So dürfen Betriebsräte beispielsweise keinen Druck auf Arbeitnehmer ausüben, in eine bestimmte Gewerkschaft einzutreten (LAG Köln, Beschluss v. 15.12.2000, 11 TaBV 63/00[2]). Auch dürfen sie Arbeitnehmer wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zu ihrer Gewerkschaft nicht benachteiligen (BVerfG, Beschluss v. 27.3.1979[3]). Schließlich ist es den Betriebsratsmitgliedern untersagt, ihre Amtstätigkeit mit der Tätigkeit für ihre Gewerkschaft zu verquicken.

 
Praxis-Beispiel

Es ist einem Betriebsrat untersagt, im Rahmen der Sprechstunden des Betriebsrats für eine Gewerkschaft zu werben. Gleiches gilt, wenn ein Arbeitnehmer das Betriebsratsmitglied in seiner Amtseigenschaft aufsucht, um sich z. B. über das Verhalten von Vorgesetzten zu beschweren.

Unzulässig ist auch, Mittel, die dem Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben zur Verfügung gestellt worden sind (s. dazu § 40 BetrVG), für gewerkschaftliche Werbezwecke zu verwenden (BVerwG, Beschluss v. 22.08.1991[4]).

[1] Fitting/Engels, § 74 BetrVG Rz. 67 ff.
[2] NZA-RR 2001, 371.
[3] NJW 1979, 1875.
[4] NJW 1992, 385.

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