3.1 Allgemeines

 

Rz. 38

Will der Arbeitgeber einem Betriebsratsmitglied oder einer weiteren in § 103 Abs. 1 BetrVG genannten Person eine außerordentliche Kündigung aussprechen oder versetzen, bedarf er hierzu der ausdrücklichen (mündlichen oder schriftlichen) vorherigen Zustimmung des Betriebsrats gem. § 103 Abs. 2 BetrVG. Besteht noch kein Betriebsrat oder ist der Betriebsrat handlungsunfähig[1], muss der Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 103 Abs. 2 BetrVG die Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht beantragen. Die Kündigung oder Versetzung vor Zustimmung ist nichtig[2]. Soll das Arbeitsverhältnis des einzigen Betriebsratsmitglieds gekündigt werden und fehlt ein gewähltes Ersatzmitglied, hat der Arbeitgeber gem. § 103 Abs. 2a BetrVG unmittelbar im Beschlussverfahren die Zustimmungsersetzung einzuholen. Ein beteiligungsfähiger Betriebsrat existiert in diesem Fall nicht. Das betroffene – einzige – Betriebsratsmitglied kann wegen rechtlicher Verhinderung i. S. v. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG aufgrund seiner Selbstbetroffenheit nicht beteiligt werden.[3]

 

Rz. 39

Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Betriebsrat das Zustimmungsrecht zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG auf einen Betriebsausschuss gem. § 27 Abs. 2 Satz 2 BetrVG oder einen besonderen Ausschuss nach § 28 BetrVG überträgt. Der Betriebsrat muss sein Zustimmungsrecht nach § 103 BetrVG dem Ausschuss ausdrücklich übertragen. Es muss zweifelsfrei feststellbar sein, in welchen Angelegenheiten der Betriebsausschuss anstelle des Betriebsrats rechtsverbindliche Beschlüsse fassen kann. Es reicht aus, wenn im Übertragungsbeschluss die betreffende Norm durch Mitteilung des Paragrafen zur Benennung des übertragenen Rechts angegeben ist.[4]

3.2 Mitteilungspflichten des Arbeitgebers

 

Rz. 40

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat mit dem Antrag auf Zustimmung alle maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen, die einen Kündigungs- oder Versetzungsgrund darstellen. Hierbei sind bei der außerordentlichen Kündigung die für das Anhörungsverfahren zu § 102 BetrVG[1], bei der Versetzung die zu § 99 Abs. 1 BetrVG[2] entwickelten Grundsätze zu beachten. Dementsprechend muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei einer beabsichtigten Kündigung die Gründe für seinen Kündigungsentschluss im Einzelnen mitteilen.[3] Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat seine Kündigungsabsicht mitzuteilen, die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers genau zu bezeichnen und die Kündigungsgründe anzugeben. Er muss den Betriebsrat über alle Aspekte unterrichten, die ihn zur Kündigung veranlasst haben.[4]

 

Rz. 40a

Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen fehlerhaft oder unvollständig unterrichtet, wird durch die mangelhafte Unterrichtung die Äußerungsfrist für den Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 BetrVG analog nicht in Gang gesetzt. Rügt der Betriebsrat zu Recht die fehlerhafte bzw. unvollständige Information, kann der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren nicht wirksam einleiten. Ein entsprechender Antrag wäre unzulässig; er wird auch nicht mit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zulässig. In einem derartigen Fall ist das Zustimmungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt, sodass das Arbeitsgericht die Zustimmung des Betriebsrats nicht ersetzen darf.

[1] Vgl. dort Rz. 17 ff.
[2] Vgl. dort Rz. 96 ff.

3.3 Beschluss des Betriebsrats

 

Rz. 41

Der Betriebsrat hat über den Antrag des Arbeitgebers durch Beschluss zu entscheiden. Eine bestimmte Form oder Frist für die Mitteilung des Ergebnisses an den Arbeitgeber ist nicht vorgeschrieben. Nach allgemeiner Meinung[1] gilt aber die Zustimmung bei einer außerordentlichen Kündigung als verweigert, wenn der Betriebsrat die Zustimmung nicht innerhalb von 3 Kalendertagen erteilt hat. Da es sich bei der Versetzung nicht um die gleiche eilbedürftige Maßnahme handelt, ist in diesem Fall dem Betriebsrat entsprechend § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eine Überlegungsfrist von einer Woche einzuräumen. Hat er sich dann noch nicht geäußert, gilt die Zustimmung ebenfalls als verweigert.

 

Rz. 42

Nach der bisher herrschenden Meinung waren die §§ 182 ff., § 111 Sätze 2, 3 BGB auf die nach § 103 BetrVG erforderliche "Zustimmung" des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung mit der Folge anzuwenden, dass der Betriebsrat auf Verlangen des Arbeitgebers die Zustimmung schriftlich erteilen musste, weil ansonsten der betroffene Arbeitnehmer die Kündigung noch zurückweisen kann.[2] Nach einer Entscheidung des BAG[3] ist die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG jedoch keine Zustimmung i. S. d. §§ 182 ff. BGB. Das Betriebsratsm...

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