4.1 Inhalt der Entscheidung

 

Rz. 23

Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 17 KSchG nicht vorliegen und daher eine Zustimmung zu den geplanten Entlassungen nicht notwendig ist, hat der Entscheidungsträger ein sog. Negativattest zu erteilen.[1] Liegen die Tatbestandsvoraussetzung nach § 17 KSchG dagegen vor, ist aber kein Grund vorhanden, eine Entlassung während der Sperrfrist zu gestatten oder die Sperrfrist zu verlängern, lehnt der Entscheidungsträger die entsprechenden Anträge ab. Im umgekehrten Fall trifft er die entsprechenden positiven Entscheidungen.[2] Im Ergebnis kann der Entscheidungsträger also folgende formale Entscheidungen treffen:

  • Genehmigung von Entlassungen vor Ablauf der Sperrfrist auf Antrag des Arbeitgebers nach § 18 Abs. 1 Satz 1 KSchG;
  • Zurückweisung eines derartigen Antrags;
  • Verlängerung der Sperrfrist nach § 18 Abs. 2 KSchG auf bis zu zwei Monate.[3]

Daneben kann er dem Arbeitgeber auch mitteilen, dass er keine Verlängerung der Sperrfrist beabsichtigt und wann demnach die Regelsperrfrist abläuft. Um eine formale Entscheidung i.S.d. § 20 Abs. 1 KSchG handelt es sich hierbei allerdings nicht.[4]

[1] Dazu näher Lembke/Oberwinter, § 18 Rz. 15; ErfK/Kiel, § 20 KSchG Rz. 4.
[2] ErfK/Kiel, § 20 KSchG Rz. 4.
[3] BeckOGK/Holthusen, § 20 KSchG Rz. 37.
[4] KR/Weigand/Heinkel, § 20 KSchG Rz. 56; APS/Moll, § 20 KSchG Rz. 30; BeckOGK/Holthusen, § 20 KSchG Rz. 39.

4.2 Ermessensleitlinien

 

Rz. 24

Liegen die Voraussetzungen einer anzeigepflichtigen Massenentlassung nach § 17 KSchG vor, hat der Entscheidungsträger seine Entscheidung über eine Sperrfrist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Nach § 20 Abs. 4 KSchG hat er dabei das Interesse des Arbeitgebers, das Interesse des Arbeitnehmers, das öffentliche Interesse und die Lage des gesamten Arbeitsmarkts unter Berücksichtigung der jeweiligen Branche zu beachten. Hieraus folgt, dass der Entscheidungsträger nicht allein auf die betroffenen Individualinteressen abstellen darf, sondern eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen hat.[1] Sofern der Entscheidungsträger dies unterlässt und dabei einen zu berücksichtigenden Gesichtspunkt übersieht, ist seine Entscheidung rechtswidrig.[2]

 

Rz. 25

Hinsichtlich der Interessen des Arbeitgebers hat der Entscheidungsträger insbesondere zu prüfen, ob dem Unternehmen, welchem der betreffende Betrieb angehört, die bei Verweigerung der Zustimmung bzw. die bei Verlängerung der Sperrfrist entstehenden Lohnkosten wirtschaftlich zugemutet werden können.[3] Unbeachtlich sind in diesem Zusammenhang allerdings Erwägungen, ob die Massenentlassung oder die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung von dem Arbeitgeber verschuldet sind.

 

Rz. 26

Bei den zu berücksichtigenden Interessen der Arbeitnehmer spielt es eine Rolle, ob diese aller Voraussicht nach wieder eine Beschäftigung finden können oder nicht. Nicht zu berücksichtigen ist durch den Entscheidungsträger dagegen, ob die beabsichtigten Entlassungen sozialwidrig i. S. d. § 1 KSchG sind.[4] Ebenso wenig ist das Motiv beachtlich, den Arbeitnehmern noch für einen weiteren Monat Entgeltzahlungen zu sichern.

 

Rz. 27

Das öffentliche Interesse ist auf die Verhinderung von Arbeitslosigkeit gerichtet. Dabei ist die Lage des gesamten Arbeitsmarkts, insbesondere diejenige der betroffenen Branche zu beachten. Da durch die Verlängerung der Sperrfrist die beabsichtigten Entlassungen nicht verhindert, sondern nur verzögert werden können, beschränkt sich die Prüfung allerdings darauf, inwieweit ein Hinausschieben der Arbeitslosigkeit für den Arbeitsmarkt vorteilhaft ist. Ein öffentliches Interesse kann in diesem Zusammenhang gerade daran bestehen, ein bereits in wirtschaftliche Schieflage geratenes Unternehmen durch die Verlängerung der Sperrfrist nicht weiter zu belasten und damit weitere Entlassungen zu provozieren.[5] Keine Berücksichtigung darf jedoch die Motivation finden, die Arbeitslosenversicherung vorübergehend finanziell zu entlasten.[6] Schließlich ist im Falle der Insolvenz für eine Verlängerung der Sperrfrist grds. kein Raum.[7]

[1] BeckOGK/Holthusen, § 20 KSchG Rz. 48.
[2] BSG, Urteil v. 21.3.1978, 7/12 RAr 6/77, AP SGG § 144 Abs. 1 Nr. 1; BAG, Urteil v. 5.12.1978, 7 RAr 32/78, DB 1979, 1238; LKB/Bayreuther, KSchG, § 20 KSchG Rz. 12.
[3] KR/Weigand/Heinkel, § 20 KSchG Rz. 59; LKB/Bayreuther, KSchG, § 20 KSchG Rz. 12.
[5] KR/Weigand/Heinkel, § 20 KSchG Rz. 62; LKB/Bayreuther, KSchG,§ 20 KSchG Rz. 12; APS/Moll, § 20 KSchG Rz. 35.
[6] KR/Weigand/Heinkel, § 20 KSchG Rz. 62; LKB/Bayreuther, KSchG, § 20 KSchG Rz. 62; APS/Moll, § 20 KSchG Rz. 35.
[7] FW KSchG 20.24.

4.3 Rechtsform der Entscheidung

 

Rz. 28

Die vom Entscheidungsträger getroffene Entscheidung ist ein Verwaltungsakt nach § 31 SGB X.[1] Als solcher wird er nach § 39 SGB X wirksam, wenn er dem Arbeitgeber bekannt gemacht wird. Sofern der Bescheid schriftlich erteilt wird (vgl. § 33 SGB X), ist er nach §§ 35, 36 SGB X ausreichend zu begründen und mit einer Rechtmittelbelehrung zu versehen. Der Widerruf einer einmal erteilten Sperr...

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