Rz. 113

Nach § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG (bzw. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 MERL) hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Kopie der bei der Agentur für Arbeit erstatteten Massenentlassungsanzeige zuzuleiten. Der Betriebsrat soll feststellen können, in welchem Umfang der Arbeitgeber auf seine Vorschläge eingegangen ist. Der Betriebsrat kann gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben (§ 17 Abs. 3 Satz 7 KSchG bzw. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 MERL), z. B. um eine Verlängerung der Sperrzeit nach § 18 Abs. 2 KSchG anzuregen und dadurch noch etwas Zeit für die Arbeitnehmer bis zum Ausscheiden zu gewinnen. Den Betriebsrat trifft die betriebsverfassungsrechtliche Pflicht, dem Arbeitgeber eine Abschrift der weiteren Stellungnahmen zuzuleiten (§ 17 Abs. 3 Satz 8 KSchG); diese Pflicht folgt bereits aus dem Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG). Ein Verstoß gegen die Norm des § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung bzw. sonstigen Entlassung i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG.[1] Es handelt sich um eine bloße Ordnungsvorschrift mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter, die weder Teil des – abgeschlossenen – Konsultationsverfahrens noch Teil des Anzeigeverfahrens ist. Deren Verletzung würde auch unter Berücksichtigung des Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatzes im nationalen Recht nicht nach der gleichen Rechtsfolge wie ein Verstoß gegen die Anzeige- oder Konsultationspflicht (Nichtigkeit der Kündigung des von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmers) verlangen.

[1] BAG, Urteil v. 8.11.2022, 6 AZR 15/22, NZA 2023, 166, Rz. 79 ff.; LKB/Bayreuther, § 17 KSchG Rz. 135; Schubert/Schmitt, JbArbR 2022 (Band 59), 81, 104.

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