Rz. 19

Wegen des Anwendungsbereichs des § 138 BGB und seines Verhältnisses zu anderen Vorschriften vgl. § 138 BGB, Rz. 2 ff.

3.1 Voraussetzungen der sittenwidrigen Kündigung

 

Rz. 20

Zu Grundsätzen und Einzelfällen der sittenwidrigen Kündigung vgl. § 138 BGB, Rz. 9 ff.

Ungeachtet seines Wortlauts gilt § 13 Abs. 2 KSchG auch für eine maßregelnde, nach § 612a BGB unwirksame, Kündigung.[1] Das bedeutet, dass ein Auflösungsauftrag des Arbeitgebers in diesem Fall (§ 13 Abs. 2 KSchG sieht einen Auflösungsantrag nur für den

vor, wie sich aus dem Verweis lediglich auf § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG ergibt) ausscheidet. Das BAG folgert dies aus dem Wesen des Maßregelungsverbots als Sonderfall der Sittenwidrigkeit.[2]

[1] BAG, Urteil v. 27.9.2022, 2 AZR 5/22, AP Nr. 73 zu § 9 KSchG 1969.
[2] BAG, Urteil v. 18.11.2021, 2 AZR 229/21, AP Nr 21 zu § 612a BGB, Rz. 28; BAG, Urteil v. 27.9.2022, 2 AZR 5/22, AP Nr. 73 zu § 9 KSchG 1969, Rz. 14.

3.2 Voraussetzungen der Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit

 

Rz. 21

Materiell-rechtliche Folge einer sittenwidrigen Kündigung ist ihre Rechtsunwirksamkeit von Anfang an. Die Geltendmachung der Rechtsunwirksamkeit muss aber nunmehr[1] in jedem Fall innerhalb der Frist des § 4 KSchG (3 Wochen nach Zugang der Kündigung) geltend gemacht werden. Dies gilt für die Beendigungs- wie für die Änderungskündigung (s. Rz. 7).

 

Rz. 22

Soweit das Arbeitsverhältnis dem allgemeinen Kündigungsschutz unterfällt (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG), folgt dies bereits aus § 4 Satz 1 KSchG. Unterfällt das Arbeitsverhältnis dem allgemeinen Kündigungsschutz nicht, folgt die Anwendbarkeit der §§ 4 bis 7 KSchG auf Kündigungen im Kleinbetrieb aus ihrer direkten Geltung, weil § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 KSchG die §§ 4 bis 7 KSchG von dem Ausschluss der Vorschriften des Ersten Abschnitts (§§ 1 bis 14 KSchG) ausnimmt. Wird einem Arbeitnehmer während der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) gekündigt, ist ohnehin nur die soziale Rechtfertigung durch den Arbeitgeber entbehrlich, nicht aber die Einhaltung der Frist des § 4 KSchG durch den Arbeitnehmer. Die universelle Geltung der §§ 4 bis 7 KSchG kann hingegen nicht aus § 13 Abs. 2 oder 3 KSchG[2] geschlossen werden, denn diese Bestimmungen gelten nach § 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KSchG – wonach nur § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG Anwendung findet – nicht im Kleinbetrieb.

 

Rz. 23

Anzuwenden sind mithin stets sämtliche Bestimmungen der §§ 4 bis 7 KSchG.

Zu einem anderen Ergebnis gelangte man konsequenterweise, wenn man mit der früheren, jetzt aufgegebenen Rechtsprechung (vgl. Rz. 8) annähme, die Erfüllung der Wartezeit sei Voraussetzung für die Anwendbarkeit des gesamten Ersten Abschnitts (§§ 1 bis 14 KSchG), denn danach wäre der Arbeitnehmer, der die Wartezeit nicht erfüllt hat, auch nicht gehalten, die Frist des § 4 KSchG einzuhalten. Diese (zur außerordentlichen Kündigung ergangene) Rechtsprechung wurde jedoch zu Recht aufgegeben (s. Rz. 8). Die Vollendung der Wartezeit ist systematisch und dem Wortlaut nach lediglich Voraussetzung für das Erfordernis der sozialen Rechtfertigung und nicht für die Anwendung der übrigen Vorschriften des ersten Abschnitts.

[1] D.h. nach Inkrafttreten der Änderungen aufgrund des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003, BGBl. I S. 3002 ff., zum 1.1.2004.
[2] So aber wohl HaKo-KSchG/Gieseler, § 13 KSchG, Rz. 18.

3.3 Voraussetzungen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses

 

Rz. 24

Nach Abs. 2 besteht aufgrund der Verweisung auf § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KSchG und die §§ 10 bis 12 KSchG die Möglichkeit, dass das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst und der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilt werden kann.

Auf das Berufsausbildungsverhältnis sind § 13 Abs. 1 Satz 3 und §§ 9, 10 KSchG nicht anzuwenden.[1]

[1] BAG, Urteil v. 16.7.2013, 9 AZR 784/11, BAGE 145, 371-380, Rz. 38 sowie BAG, Urteil v. 29.11.1984, 2 AZR 354/83, mit ausführlicher Begründung zu II der Gründe.

3.3.1 Anwendbarkeit des Abs. 2

 

Rz. 25

Voraussetzung für die Auflösung ist zunächst, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Abs. 2 erfüllt sind. Dies ist dann nicht der Fall, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, auf das (auch) die Bestimmung des Abs. 2 wegen § 23 Abs. 1 Satz 2 oder 3 KSchG keine Anwendung findet. Dies bedeutet, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen einer sittenwidrigen Kündigung nicht – und zwar weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber – verlangt werden kann, wenn es sich um ein Arbeitsverhältnis im Kleinbetrieb handelt.[1]

 

Rz. 26

Ist lediglich die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt, entfällt nur das Erfordernis, dass die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit sozial gerechtfertigt werden muss, nicht aber die Anwendbarkeit des § 13 Abs. 2 KSchG.[2] Danach steht dem Arbeitnehmer auch schon vor Vollendung der Wartezeit das Recht zu, nach § 13 Abs. 2 KSchG i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz. 1 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verlangen. Andernfalls hätte § 13 Abs. 2 KSchG praktisch keinen Anwendungsbereich, weil eine sittenwidrige Kündigung regelmäßig auch sozialwidrig ist.[3]

Demgegenüber sah das BAG in seinen früheren Entscheidungen[4] die Erfüllung der Wartezeit als Voraussetzung für die Anwendung des 1. Abschnitts des ...

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