Rz. 189

Der Arbeitnehmer kann die Arbeitsleistung bei persönlicher Unzumutbarkeit verweigern.[1] Voraussetzung ist, dass der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen hat, was beim Arbeitsverhältnis wegen dessen grundsätzlicher Unübertragbarkeit gem. § 613 BGB im Zweifel der Fall ist.[2] Die Erbringung der Leistung muss dem Schuldner – anders als bei § 275 Abs. 2 BGB – nach einer Abwägung des Leistungsinteresses des Schuldners und des Leistungsinteresses des Gläubigers unzumutbar sein. Auf ein Verschulden des Schuldners kommt es im Gegensatz zu § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht an.[3] Dem Arbeitnehmer kann die Leistung auch teilweise unzumutbar sein. Der Arbeitnehmer kann wählen, ob er die Arbeitsleistung erbringt oder sich auf Unzumutbarkeit beruft.[4] Der Tatbestand des § 275 Abs. 3 BGB erfordert ein der Leistung entgegenstehendes Hindernis, das – anders als bei § 616 BGB – nicht auf in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe beschränkt ist.[5] Im Gegensatz zu § 616 BGB werden von § 275 Abs. 3 BGB nicht auch Umstände umfasst, die bereits eine subjektive (oder gar objektive) Unmöglichkeit i. S. v. § 275 Abs. 1 BGB bilden.[6] § 275 Abs. 3 BGB ist zu Abs. 1 subsidiär.[7] Mit der Einfügung als allgemeines Leistungsverweigerungsrecht in § 275 Abs. 3 BGB und durch die Gleichbehandlung der Abs. 1–3 des § 275 BGB, insbesondere in §§ 283 Satz 1, 326 Abs. 1 BGB, stellt der Gesetzgeber klar, dass die Unzumutbarkeit in ihrer Intensität dem Unvermögen, d. h. der subjektiven Unmöglichkeit, entsprechen muss.[8] In Betracht kommen daher insbesondere folgende 5 Gründe der Unzumutbarkeit: Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, gesetzliche Verbote, Gefahr für Leib und Leben, familiäre und sonstige persönliche Gründe und Gewissensgründe. In der Praxis stellt sich insofern die schwierige Frage der Einordnung unter § 275 Abs. 1 oder Abs. 3 BGB, d. h. der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Leistung.

[2] Gotthardt, Schuldrechtsreform, Rz. 39.
[3] BT-Drucks. 14/6857 S. 47; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rz. 2/89.
[4] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 685.
[5] Gotthardt, Schuldrechtsreform, Rz. 99.
[6] Gotthardt, Schuldrechtsreform, Rz. 99; Grüneberg in Palandt, § 275 BGB, Rz. 30.
[7] Grüneberg in Palandt, § 275 BGB, Rz. 30.
[8] Ausdrücklich der Regierungsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, der den § 275 Abs. 3 BGB noch als unselbstständigen Satz 2 in § 275 Abs. 2 vorsah, in BT-Drucks. 14/6040 S. 130;Gotthardt, Schuldrechtsreform, Rz. 99; Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 685.

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