Leitsatz (amtlich)

1. Das Vorbeifahren eines Fahrradfahrers an parkenden Fahrzeugen mit einem Seitenabstand von 80-90 cm kann zwar einen Mitverschuldenseinwand begründen an einem Unfall, der durch das plötzliche Öffnen der Pkw-Tür entsteht, jedoch tritt das Mitverschulden ggü. dem gravierenden Verstoß des Autofahrers gegen § 14 StVO zurück.

2. Eine offene Wunde am Unterschenkel, großflächige Prellungen, Wundheilungsstörungen und deutlich sichtbare Narbenbildung sowie Hautverfärbungen bei einem erwachsenen, älteren Mann rechtfertigen ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR.

 

Normenkette

BGB §§ 254, 823; StVO § 14

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 07.06.2006; Aktenzeichen 3 O 2046/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Gera vom 7.6.2006 - 3 O 2046/04, abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger 60 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 40 % zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die durch die Einholung des unfallanalytischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Schimmelpfennig vom 19.3.2008 entstandenen Kosten sowie die durch die ergänzende Anhörung dieses Sachverständigen im Termin vom 23.9.2008 entstandenen Kosten. Diese haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 24.11.2002 in der E. in G. ereignet hat.

Der Kläger hat mit seinem Fahrrad die Straße mit einem Seitenabstand von 80 bis 90 cm zu rechts geparkten Pkw befahren. Der Beklagte wollte aus seinem Pkw aussteigen. Es kam zum Zusammenprall des klägerischen rechten Unterschenkels mit der scharfen Kante der sich öffnenden Pkw-Tür, in Folge dessen der Kläger eine ca. 10 cm große offene Wunde am rechten Schienbein und großflächige Prellungen erlitten hat. Es kam zu Wundheilungsstörungen sowie einer deutlichen Narbenbildung und deutlich sichtbaren Verfärbungen der Haut.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.

Das LG hat der Klage hinsichtlich des von dem Kläger begehrten Schmerzensgeldes teilweise, nämlich unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 35 % i.H.v. 1.300 EUR stattgegeben.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, im Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger durch einen Sturz von seinem Fahrrad Körperverletzungen erlitten habe und dieser Sturz darauf zurückzuführen sei, dass der Beklagte zu 1) die Fahrertür in dem Moment geöffnet habe, als der Kläger gerade mit seinem Fahrrad habe vorbeifahren wollen, wodurch der Kläger mit seiner rechten Seite, insbesondere seinem rechten Bein, gegen die Tür gestoßen sei.

Dieser Unfallhergang ergebe sich aus den glaubhaften Bekundungen der Zeugen K. und R., sowie aus dem Gutachten des Sachverständigen H. und dessen mündlicher Erläuterung.

So lasse sich der Aussage der Zeugin K. entnehmen, dass sich der Unfall in unmittelbarer Nähe zum Fahrzeug des Beklagten zu 1) ereignet habe und ergebe sich aus der Aussage der Zeugin R., dass der Kläger vor dem Unfall vom 24.11.2002 keine Verletzungen gehabt habe, während er nach dem Unfall ausweislich des Rettungsprotokolls dann Verletzungen aufgewiesen habe. Dass diese Verletzungen durch einen Zusammenstoß des Klägers mit dem Fahrzeug des Beklagten verursacht worden seien, folge schließlich aus den Ausführungen des Sachverständigen H. in dessen Gutachten vom 14.1.2006, wenn dieser dort ausführe, dass es vom Verletzungsmechanismus und den verbliebenen Unfallfolgen her nachvollziehbar sei, dass die seinerzeit offene Wunde am Unterschenkel durch einen Aufprall gegen einen scharfkantigen Gegenstand verursacht worden sei. Hierfür spreche auch die noch immer gut tastbare tiefe Narbe unterhalb der Unterfetthaut auf der Fascie, die durch einen Aufprall gegen einen stumpfen Gegenstand nicht verursacht worden sein könne. Da als scharfkantiger, die Verletzung am Unterschenkel hervorrufender Gegenstand hier aber nur die scharfe Kante an der Fahrzeugtür des Beklagten zu 1) in Betracht komme, stehe aufgrund alldessen zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Verletzungen des Klägers durch einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) verursacht worden seien.

Dem stünden die Bekundungen der Zeugin Sch. nicht entgegen. Denn diese Zeugin sei unglaubwürdig. Obwohl sie sich zur Aussage bereit erklärt habe, habe sie auf Fragen des Gerichtes nur äußerst zögerlich geantwor...

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