Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Nichtabzugsfähigkeit besonderer Belastungen, die nach Prozessbeginn eingegangen werden

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Berücksichtigung von Schuldverpflichtungen als besondere Belastung im Rahmen des § 115 ZPO (nur) dann angemessen, wenn diese Schulden nicht in Kenntnis des bevorstehenden oder schon begonnenen Prozesses eingegangen sind, m.a.W. eingegangene Schuldverpflichtungen sind nur dann Einkommens mindernd zu berücksichtigen, wenn sie vor Prozessbeginn errfolgt sind.

 

Normenkette

ZPO § 115

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Beschluss vom 24.05.2011; Aktenzeichen 8 O 383/09)

 

Tenor

Die Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung zurückgewiesen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Mit dem Ausgangsbeschluss vom 24.5.2011 hat der Rechtspfleger des LG nach den von dem Beklagten abgegebenen Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hinsichtlich der seit Januar 2010 bewilligten (ratenfreien) Prozesskostenhilfe monatliche Raten i.H.v. 75 EUR festgesetzt; dabei ist er von einem einzusetzenden Einkommen von 221 EUR (nach der Ratentabelle zu § 115 ZPO) ausgegangen (vgl. Verfügung des Rechtspflegers vom 5.5.2011, Bl. 32 PKH-Heft Bekl.). Dieser Ratenzahlungsbeschluss ist laut PZU (Bl. 35a PKH-Heft) dem Beklagten am 30.5.2011 zugestellt worden. Mit seiner (zulässigen) Beschwerde vom 30.6.2011 - Eingang bei Gericht am gleichen Tag - rügt der Beschwerdeführer mit dem Ziel der Beibehaltung der Ratenfreiheit, der Rechtspfleger habe die Zahlungsverpflichtungen aus dem gerichtlichen Vergleich vom 26.1.2010 zu Unrecht nicht in seine Berechnung nach -§ 115 ZPO einbezogen.

Der Rechtspfleger des LG hat zur Beschwerde Stellung genommen und in seiner Nichtabhilfeentscheidung unter Hinweis auf seine Verfügung vom 4.7.2011 ausgeführt, Zahlungsverpflichtungen, welche in Kenntnis bereits entstandener oder bevorstehender Kosten des Rechtsstreits eingegangen werden, seien nicht berücksichtigungsfähig.

Diese Auffassung (des Rechtspflegers) ist nicht zu beanstanden; sie entspricht ständiger Rechtsprechung. Bei der Bewilligung von (ratenfreier) Prozesskostenhilfe ist die Berücksichtigung von Schuldenverpflichtungen als besondere Belastung in aller Regel (nur) dann angemessen, wenn diese Schulden nicht in Kenntnis des bevorstehenden oder schon begonnenen Prozesses eingegangen sind und wenn die Partei zu ihrer Tilgung laufend Beträge vom (verfügbaren) Einkommen abzweigen muss, das verfügbare Einkommen also tatsächlich und dauerhaft vermindert wird; dabei kommt es auf den Anlass der Schuldenaufnahme nicht an (so OLG Hamm, Beschl. vom 1.6.1987 - 11 W 55/87, zit. nach juris). Auch andere Obergerichte haben sich ähnlich positioniert, wonach Schuldverpflichtungen oder Darlehenstilgungen nur dann Einkommens mindernd berücksichtigt werden dürfen, wenn die ihnen zugrunde liegende Kreditaufnahme vor Prozessbeginn erfolgt ist (vgl. z.B. OLG Köln, Beschl. vom 8.2.1994 - 25 WF 10/94, zit. nach juris).

Danach ist es nicht angemessen, finanzielle Belastungen, die eine Partei bewusst und in Kenntnis bereits entstandener oder bevorstehender Verfahrenskosten eingegangen ist, als besondere und damit im Rahmen des § 115 ZPO abzugsfähige Belastungen anzuerkennen (vgl. Zöller/Geimer, ZPO-Komm., 28. Aufl., § 115 Rz. 38, 40 mit weiteren Nachw. zur Rechtsprechung der Obergerichte). Das entspricht auch der Rechtsauffassung des erkennenden Senats.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO); dem Beschwerdeführer fällt als unterliegendem Antragsteller die Gebühr nach GKG-KV 1812 zur Last; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2737049

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