Leitsatz (amtlich)

1. Enteignungsrechtlich entschädigungspflichtig sind nicht nur Eingriffe in das Eigentum an Grundstücken, sondern unter Umständen auch damit verbundene Eingriffe in einen landwirtschaftlichen Betrieb. Soweit durch einen unternehmensbezogenen Eingriff das Unternehmen als Pächter sonstige Nachteile erleidet, die im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung nicht durch Verzinsung der für die mit dem Nutzungsentzug verbundene Besitzeinweisungsentschädigung ausgeglichen werden, kann eine Entschädigung auch für solche zusätzlichen Nachteile gewährt werden, die (noch) bei der Bemessung der Entschädigung für den Rechtsverlust berücksichtigt sind (werden).

2. Solche Vermögensnachteile sind auch Wirtschaftserschwernisse, die im Zusammenhang mit einer vorläufigen Besitzeinweisung des Vorhabensträgers einer Straße (oder Schiene) durch Nutzungsverträge gesicherte Grundstücksflächen eines Schlages erfassen, indem durch die vorläufige Besitzeinweisung eine Durchschneidung dieses Schlages erfolgt, die wiederum zu dadurch bedingten Erschwernissen für die Bewirtschaftung der von dem Besitzentzug nicht betroffenen Restflächen führt. Auch solche Nachteile können zu einer Substanzminderung des landwirtschaftlichen Betriebes führen und sind dann nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen als Folgeschäden am Betrieb nach § 11 ThürEG (i.V.m. den spez. Vorschriften des FlurbG) zu entschädigen.

3. Das FlurbereinigungsG sperrt solche Entschädigungsansprüche nicht, selbst wenn das Unternehmensflurbereinigungsverfahren selbst noch nicht abgeschlossen ist.

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 01.06.2005; Aktenzeichen BLK O 9/04)

 

Tenor

Die Berufungen der Beteiligten zu 1) und 2) gegen das Urteil des LG Meiningen vom 1.6.2005 - BLK O 9/04 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beteiligten zu 1) und 2) je zur Hälfte zur Last. Außergerichtliche Kosten des Beteiligten zu 4) und der weiteren Beteiligten zu 3) bleiben hiervon unberührt; eine Entscheidung über diese ist nicht veranlasst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird hinsichtlich der durch die Berufungsführer aufgeworfenen Rechtsfrage der Entschädigung eines Bewirtschafters für Wirtschaftserschwernisse infolge einer vorläufigen Anordnung im Unternehmensflurbereinigungsverfahren zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird insgesamt auf 10.677,83 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1) und 2) begehren - wie im erstinstanzlichen Verfahren - die Aufhebung eines Entschädigungsfestsetzungsbescheides des Beteiligten zu 4).

Die Beteiligte zu 1) ist Vorhabenträgerin für den Bau einer ICE-Trasse im Rahmen des Verkehrsprojekts "Deutsche Einheit" - Straße Nr. 16/Schiene Nr. 8 (Bündelungstrasse), die Beteiligte zu 2) ist Vorhabenträgerin für den Bau der BAB 71 im Rahmen dieses Verkehrsprojekts. Die (weitere) Beteiligte zu 3) bewirtschaftet im Bereich der Trassen gelegene landwirtschaftliche Nutzflächen mit einer Größe von ca. 2.000 ha.

Mit Beschluss vom 13.10.1995 wurde für das genannte Verkehrsprojekt und die damit verbundenen Folgemaßnahmen das Unternehmensflurbereinigungsverfahren Eischleben angeordnet. Durch vorläufige Anordnung gem. § 88 Nr. 3 i.V.m. § 36 FlurbG vom 7.8.1996 wies das Amt für Landentwicklung und Flurneuordnung Gotha (ALF Gotha) - der Beteiligte zu 4) - die Beteiligte zu 2) mit Wirkung zum 1.10.1996 in den Besitz der für die BAB 71 als Teil der Bündelungstrasse benötigten Flächen ein; die Beteiligte zu 1) wurde durch vorläufige Anordnung vom 11.9.1997 mit Wirkung vom 1.11.1997 in den Besitz der für die ICE-Trasse erforderlichen Flächen eingewiesen. Durch die Besitzeinweisungen wurde der von der Beteiligten zu 3) auf der Grundlage von Nutzungsverträgen bewirtschaftete, aus zahlreichen Grundstücken bestehende und eine Größe von insgesamt ca. 50 ha aufweisende Schlag 42 durchtrennt.

Auf den Antrag der Beteiligten zu 3) setzte der Beteiligte zu 4) mit Bescheid vom 3.2.2004 die angefochtene Entschädigung fest. In Ziff. 1 des Bescheides wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 3) dem Grunde nach einen Anspruch auf Entschädigung für unternehmensbedingte Wirtschaftserschwernisse aufgrund der Durchschneidung des Schlages 42 hat. Ziff. 2 des Bescheides setzt den entschädigungsrelevanten Zeitraum auf die Zeit zwischen dem 1.10.1996 und dem 8.2.2002 fest. Ziff. 3 und 4 des Bescheides regeln die Höhe der Entschädigung, Ziff. 5 ihre Verzinsung.

Die Beteiligten zu 1) und 2) meinen, der Beteiligten zu 3) stehe eine solche Entschädigung nicht zu. Mit ihrem jeweils am 1.3.2004 gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wenden sie sich gegen die im vorerwähnten Bescheid festgesetzte Entschädigung und beantragen dessen Aufhebung. Das LG hat die Anträge mit dem angefochtenen Urteil vom 1.6.2005 zurückgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidung des LG Bezug genommen.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben gegen das ihnen am 3.6.2005 zugestellte Urteil mit am 24.6.2005 beim hiesigen Gericht eingegan...

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