Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterstützung der Ganzkörperregeneration, Massagematten; Wettbewerbswidrige Heilmittelwerbung: Rechtsmissbräuchliches Vorgehen eines klagebefugten Verbandes; Pflicht des Unterlassungsgläubigers zur Händlerrecherche und Unlauterkeit der Werbung mit therapeutischen Wirkungen einer Massagematte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht ein anerkannt klagebefugter Verband aufgrund von Abmahnungen und Verfügungs- oder Klageverfahren Prozessrisiken ein, die den Umfang seines Mitgliedsbeitragsaufkommens übersteigen, so deutet dies allein nicht auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG hin.

2. Für den Gläubiger eines lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruchs besteht keine Marktbeobachtungspflicht in der Gestalt, dass er bei Kenntnis des Herstellers eines unlauter beworbenen Medizinprodukts von sich aus auch (alle) Händler zu recherchieren hätte.

3. Zur Unlauterkeit einer Werbung mit umfangreichen therapeutischen Wirkungen einer Massagematte.

 

Normenkette

HeilMWerbG § 3 Nr. 1; MPG § 4 Abs. 2 Nr. 1; UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 24.02.2011; Aktenzeichen HKO 2/11)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des LG Meiningen vom 24.2.2011 - HKO 2/11, wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger macht einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen irreführender Werbung für eine Massagematte mit der Bezeichnung "..." geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird Bezug auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils genommen. Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsbeklagten, die ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft. Der Verfügungskläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG die Verfügungsbeklagte zur Unterlassung verurteilt. Daran ändern auch die Angriffe der Berufung nichts.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht unzulässig, weil er eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs darstellen würde (§ 8 Abs. 4 UWG). Der Verfügungskläger ist bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nicht von sachfremden Motiven geleitet.

a) Eine auf Rechtsmissbräuchlichkeit hindeutende überwiegende Gewinnerzielungsabsicht bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist nicht glaubhaft gemacht.

Die Anzahl der vom Verfügungskläger jährlich ausgesprochenen Abmahnungen bzw. die Anzahl der durchgeführten Gerichtsverfahren ist kein ausreichendes Indiz für einen Rechtsmissbrauch (BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei). Hinzutreten müssen stets weitere, im Zweifel von der Beklagten zu beweisende Umstände, die auf einen Rechtsmissbrauch hindeuten. Diese sind vorliegend nicht ersichtlich.

Die für die Geltendmachung von Ansprüchen durch Mitbewerber entwickelte "Fallgruppe" zur Rechtsmissbräuchlichkeit wegen eines Missverhältnisses zwischen der eigenen gewerblicher Tätigkeit und dem Umfang der Abmahntätigkeit ist auf einen klagebefugten Verband nicht ohne weiteres übertragbar.

Bei einem (anerkannt) klagebefugten Verband ist es vielmehr nicht ungewöhnlich, dass er, gerade wenn er wie der Verfügungskläger in einem bestimmten Bereich erfolgreich Wettbewerbsverstößen nachgeht, auch eine erhebliche Zahl von Abmahnungen ausspricht. Deshalb ist die große Zahl ausgesprochener Abmahnungen (wie hier von der Verfügungsbeklagten behauptet etwa 8 pro Arbeitstag) vorliegend kein maßgebendes Indiz für Rechtsmissbräuchlichkeit. Es wäre nicht gerechtfertigt, dass sich die Abmahntätigkeit eines klagebefugten Verbandes an seinem Beitragsaufkommen orientieren oder durch dieses begrenzt sein muss. Dies widerspräche der gesetzgeberischen Wertung, klagebefugte Verbände mit einer eigenen Klagebefugnis auszustatten. Es ist auch nicht grundsätzlich bedenklich, dass ein Verband die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen anders als durch Beiträge finanziert, z.B. durch Vertragsstrafeeinnahmen o. Ä. (vgl. BGH GRUR 2005, 689 - Sammelmitgliedschaft III).

Gerade auch weil der Verfügungskläger im lauterkeitsrechtlich besonders "anfälligen" medizinischen Bereich tätig ist, bedeutet eine Vielzahl von Abmahnungen, die, wie der vorliegende Fall zeigt, nicht standardisiert abgearbeitet werden können, nicht, dass das vielfältige Abmahnen rechtsmissbräuchlich wäre. Vielmehr besteht die rechtspolitische Berechtigung des Verfügungsklägers gerade in seiner umfangreichen Abmahntätigkeit im medizinischen Bereich. Anders als im Fall rechtsmissbräuchlichen Vorgehens typisch hat der Verfügungskläger eine Vielzahl von Fällen einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt und mahnt nicht nur "Bagatellen" ab. Das eingegangene Prozesskostenrisiko ist somit zwar erheblich, indiziert aber, anders als bei einem Mitbewerber, nicht die Rechtsmissbräuchlichkeit...

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