Leitsatz (amtlich)

1. Der zu einer Auftragsleistung - Vorsorgeuntersuchung/Mammographie - hinzugezogene Radiologe haftet für eine in einem Arztbrief an den überweisenden (Frauen)Arzt ausgesprochene Empfehlung zu einer Kontrolluntersuchung ebenso wie für die Erfüllung des Zielauftrags (Richtigkeit der Befundung) selbst, auch wenn er mit dem Patienten keinen eigenständigen Behandlungsvertrag abgeschlossen hat.

2. Der überweisende Frauenarzt, der an der Richtigkeit einer ihm übermittelten Empfehlung - hier Kontrolluntersuchung (erst) in 2 Jahren - Zweifel hat, muss diesen Zweifeln nachgehen, darf diese also nicht auf sich beruhen lassen. Er hat andernfalls wie der beauftragte Arzt für die Richtigkeit der Begleitempfehlung einzustehen.

3. Bei der Bewertung einer im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung auszuwertenden Mammographie gelten die gleichen Maßstäbe wie auch sonst bei einer Diagnoseerstellung. Das bedeutet, dass die Wertung einer objektiv fehlerhaften Diagnose eine vorwerfbare Fehlinterpretation erhobener Befunde oder die Unterlassung für die Diagnosestellung oder ihre Überprüfung notwendiger Befunderhebungen voraussetzt.

4. Da die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig sind, können Diagnoseirrtümer, die objektiv auf eine Fehlinterpretation der (erhobenen) Befunde zurückzuführen sind, nur mit Zurückhaltung als - im Haftungsregime des Arztes relevanter - Behandlungsfehler gewertet werden. Dies greift nur dann nicht, wenn Symptome vorliegen, die für eine bestimmte Erkrankung kennzeichnend und eindeutig sind, vom Arzt aber nicht ausreichend berücksichtigt werden.

5. Kann eine Fehlinterpretation des Befundes einer Mammographie im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung danach nicht als grob fehlerhaft bewertet werden, kommen der Patientenseite grundsätzlich keine Beweiserleichterungen im Hinblick auf eine (möglicherweise) zu spät erkannte Krebserkrankung (hier: Mammakarzinom) zu. Daher bleibt es in diesem Fall bei der vollen Beweislast des Patienten, dass die (einfache) Fehlbefundung bzw. die in Folge des Diagnose-irrtums ausgesprochene (fehlerhafte) Empfehlung einer zu weitmaschigen Kontrolluntersuchung für die Zuspäterkennung der erst Jahre später erkannten Krebserkrankung ursächlich war.

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Urteil vom 23.10.2006; Aktenzeichen 7 O 353/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Erfurt vom 23.10.2006 - Az.: 7 O 353/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 271.301,67 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt als Ehemann und Erbe seiner am 17.4.2008 an den Folgen eines Mammakarzinoms verstorbenen Ehefrau M. K. die Beklagten wegen (behaupteter) fehlerhafter radiologischer Befundbewertung anlässlich einer im November 1996 durchgeführten Vorsorgeuntersuchung und damit einhergehender - zu weitmaschiger - Kontrollempfehlung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Im November 1996 suchte die damals in Berlin wohnende 36-jährige Frau K. ihre Frauenärztin zur Krebsvorsorgeuntersuchung auf. Diese empfahl ihr, eine Mammographie durchführen zu lassen. Da bei Frau K. ein Umzug nach Erfurt bevorstand, bekam sie von ihrer in Berlin niedergelassenen Gynäkologin einen Überweisungsschein, der - nach den streitigen Angaben von Frau K. - auch den Vermerk trug "Sonographie bei Mastopathie".

Am 10.12.1996 begab sich Frau K. in die Gemeinschaftspraxis der in Erfurt als niedergelassene Radiologen tätigen Beklagten. Die Mammographie führte der Beklagte zu 2) durch. Sein Befundbericht lautet wie folgt:

"Mammographie beids. In zwei Ebenen: Narben-Bildung re. nach OP eines Muttermals. Ansonsten bds. Strukturverdichtungen im Sinne einer Mastopathie. Malignomsuspekte Verschattungen sind nicht objektivierbar. Keine indirekten Malignitätszeichen. Kontrolle in 2 Jahren."

Im Anschluss an die Mammographie führte der Beklagte zu 1) eine Mammasonographie durch. In seinem Befundbericht heißt es:

"Im oberen äußeren Quadranten der re. Mamma in einer Breite von 26 mm leicht inhomogene Echogenität. Ansonsten bds. regelrechte Echogenität."

Die beiden Beklagten gelangten in der Auswertung der erhobenen Befunde zu der gemeinsamen Einschätzung, dass mammographisch und sono-graphisch kein Anhaltspunkt für einen malignen Prozess bestehe und deshalb eine (weitere) Kontrolluntersuchung (erst) in zwei Jahren ausreichend sei. Dies hielten sie in einem Befundbericht (Arztbrief) schriftlich fest. Frau K. selbst wurde über das Untersuchungsergebnis von dem Beklagten zu 2) in der Weise mündlich informiert, das alles in Ordnung sei, sie müsse sich keine Sorgen machen.

In der Folge sandten d...

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